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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin.
Autoren: Marlene Streeruwitz
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Tals dann die Landstraße und Schneefahrbahn. Dann die geräumte Straße zum compound und wieder Verkehr. Andere Autos. Lastwagen. Aber alles weit weg. Sie fuhr mit gestreckten Armen. Wie die Rennfahrer. Sie hielt das Lenkrad mit den gestreckten Armen weit von sich und lenkte das Auto wie diese kleinen Elektroautos im Prater, mit denen man gegeneinanderfuhr. Aber die hatten so breite Gummireifen rundum. Dann die Abbiegung nach Furth im Wald. Wieder Schneefahrbahn. Das Tor. Sie nestelte ihre Sicherheitskarte am Bändchen um den Hals aus dem dicken Mantel heraus und hielt sie an den scanner. Sie sah dem Tor beim Aufgleiten zu. Sie musste sich aus diesem Zusehen herausreißen und wieder schalten. Auf dem Parkplatz bremste sie zu stark. Der Motor starb ab, und sie fiel nach vorne gegen das Lenkrad.
    Sie musste grinsen. Sie blieb über das Lenkrad geworfen und überlegte. War das Grinsen oder Lächeln. Sie dachte, dass sie grinste. Das auf ihrem Gesicht. Das Verzerren der Mundwinkel. So, wie sie es fühlte. Wie es sich anfühlte. Das war kein Lächeln. Lächeln. Das war absichtlich. Das war absichtlicher. Beim Lächeln. Lächeln entfernte einen von den hässlichen Dingen. Lächeln. Das machte. Unangreifbar machte das. Unberührt. Solange eine Person lächelte. So lange gehörte sie denen nicht. So wie sie eben. Sie grinste. Das war Grinsen. Sie durfte gar nicht lächeln. Wenn sie lächelnd in die Rezeption käme. Wahrscheinlich würde sie dann weggeschickt. Cindy würde sie sofort wegschicken. Cindy würde es sofort begriffen haben, dass sie sich wieder nicht voll in die Gruppe einbringen würde, und Cindy würde sie wegschicken. Cindy machte so etwas. Sie würde dann Gregory suchen gehen müssen und mit ihm reden, und er würde ein Gespräch organisieren. Sie müsste mit Cindy ein Gespräch führen darüber, wieso Cindy sich denken hatte können, dass es besser wäre, sie machte nicht mit. Gregory würde sie dann im Büro erwarten und einen Bericht wollen, und sie hätte sich überlegen müssen, was Cindy ihm erzählen würde und wie sie ihre Geschichte aufbauen musste, um Cindys Bericht so zu bestätigen, dass sie als die Klügere dastand. Als die, die Führungskompetenz mitbrachte. Aber am Ende würde Gregory sagen, dass sie ihr Problem selber lösen hätte müssen und nicht zu ihm kommen und ihn belästigen. Also grinste sie und war angreifbar und formbar und begann im richtigen Augenblick zu weinen. Cindy reichte es ja, dass alle Frauen in der Gruppe zu weinen begannen, wenn sie ihnen vorwarf, es sich leichtzumachen. »Du glaubst, dass du etwas Besseres bist als ich, weil du schöner bist.« Das war der Angriff gegen sie, und es hatte keinen Sinn, die Aggression zurückzugeben. Wenn sie nicht zu weinen begann. Man würde annehmen, dass sie doch zuerst ins Grundtraining musste, weil sie noch sicher aus sich selbst heraus war und lächeln konnte. Man würde dann annehmen, dass sie nicht vollkommen über die Ausbildung definiert war und deswegen ein Unsicherheitsfaktor. Ihre Motivation würde bezweifelt werden, und sie würde daraufhin angesehen werden, ob sie Symptome einer Verräterin an sich hatte. Eine Person, die lächelte. Eine solche Person. Die konnte auch davongehen. Eine solche Person, die gehörte nicht dazu. Die traf eigene Entscheidungen, und man musste misstrauisch sein. Verrat. Es ging ja nicht darum, den Job zu machen. Es ging immer nur darum, wer, und wann, zum Verrat fähig sein könnte. Cindy lauerte auf solche Anzeichen. Cindy war ein Wachhund mit Busen. Mit einem Riesenbusen. Sie dagegen. Sie war neu. Sie war die Neue. Also grinste sie, damit niemand misstrauisch wurde und sie jetzt einmal in die Wärme gehen konnte und nicht gleich die Rückfahrt antreten musste. Und. Sie sollte das schnell tun. Wenn sie noch länger in ihrem Auto über das Lenkrad geworfen sitzen blieb. Man konnte sie von der Rezeption aus sehen und sich Gedanken machen. Sie musste noch mehr grinsen. Hier machte man sich Gedanken. Sie setzte sich auf und hob ihre Handtasche vom Rücksitz nach vorne. Gedanken machen. Sie stellte sich vor, wie Gregory an einem Gedanken schmiedete und hämmerte und ihn dann in die Mitte des Konferenztischs stellte und wie er seine Haare zurückwarf. Die dunkle Locke, die ihm über die Stirn fiel, in der feine weiße Haare den Glanz betonten. Da schaut her, würde diese Kopfbewegung sagen wollen. Da schaut her. So sieht ein Gedanke aus, und davor müssen wir uns hüten. Gregory würde ein wenig
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