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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin.
Autoren: Marlene Streeruwitz
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gerutscht. Das handy auf dem Boden. Sie zog die Beine an. Umarmte ihre Knie. Legte ihren Kopf auf die Knie. Dunkel. Ihre eigene Wärme. Der Geruch von ihr. Sie wollte nicht ohnmächtig werden. Sie musste sich wieder aufsetzen. Den Kopf nach hinten gegen die Wand. Schlucken. Sie musste gegen das Ohnmächtigwerden schlucken. Ihr Mund trocken. Sie bewegte die Kiefer wie zum Kauen. Pumpte Speichel in die Mundhöhle. Schluckte den Speichel. Machte Kaubewegungen. Blut in den Kopf. Sie wusste gar nicht, woran er. Blut in den Kopf, dachte sie. In den Kopf. Nicht aus dem Kopf. In den Kopf. Das Atmen. Tief in den Bauch. Alles tief in den Bauch. Dieser Mann. Mit ihr. Hatte. Sich. Der Ekel ließ sie die Luft besonders tief aufziehen. Ekel. Aber keine Erinnerung. Nichts erinnerte sich an diese Person. Nur der DNA -Test. Sie wusste nicht einmal, ob sie nicht mitgemacht hatte. Es konnte sein, dass sie. Betrunken, wie sie gewesen sein musste. Und jetzt. Er war nicht mehr da. Er war. Geflohen. Verjagt. Vertrieben. Der Täter. Entkommen.
    Sie schüttelte den Kopf. Konnte es nicht glauben. Die Situation. Das war alles nicht wahr. Aus dem handy kam Ginos Stimme. Dünn. Sie hob das handy auf. Gino sprach vor sich hin. Er erzählte das Märchen von Hänsel und Gretel. Er war bei der Stelle, bei der Gretel der Hexe das falsche Knöchelchen hinhielt. Er musste schon lange diese Geschichte erzählt haben. Sie hörte ihm zu. Dann fragte er, ob sie wieder da sei. Unter den Lebenden. Er habe sie scheußlich japsen gehört. Und ob sie jetzt endlich von da verschwunden sei. Weglaufen. Das wäre das einzig Richtige. Sie solle jetzt. Ja. Wo sei sie denn gerade. »Ich sitze auf dem Specksteinboden vor dem Konferenzzimmer, das früher sicher das Lehrerkonferenzzimmer war.« »Gut.« sagte Gino. Dann solle sie einmal aufstehen. Könne sie das. Ja? Gut. Dann weiter. Wohin müsse sie gehen. Wie käme sie hinaus. »Ich gehe die Stiegen hinunter und zum Turnsaal zurück. Wahrscheinlich. Alle Türen sonst. Das weiß ich nicht.« Gut. Sie solle anfangen. Was mache sie gerade. »Ich steige die Stiegen hinunter. Jetzt bin ich am Stiegenabsatz. Ich gehe die breite Haupttreppe hinunter. Ich bin gleich an der Tapetentür zum Turnsaal. Zum Gang zum Turnsaal. Ich bin an der Tapetentür. Ich mache sie auf. Ich mache die Tapetentür zu.« Habe sie alles bei sich, fragte Gino. Nicht dass sie noch einmal zurückmüsse. Sie stand still. Konnte sich nicht bewegen. Wenn der Autoschlüssel. Der Schlüsselbund. Wenn das nicht da war. Dann tastete sie nach dem Schlüsselbund. Der war da. »Ich habe alles. Ich gehe jetzt den Gang hinunter. Gino. Ich bin müde. Ich bin sooo müde. Ich möchte mich hinlegen und schlafen.« Das wäre der Schock. Sie müsse da hinaus. Sie solle gar nicht daran denken, dass sie müde wäre. Und was sie denn nun eigentlich gelernt hätte. In ihrer Ausbildung. »Haben die euch nicht ein emergency cope training zukommen lassen?« Das wäre doch das Mindeste. Aber diese Militaristen. Die setzten alle auf Erschöpfung. Das wäre das einzige natürliche Beruhigungsmittel, das die kennten. Aber die wüssten eben nichts. Er. Er könne wiederum das Allerbeste von der Drogenfront berichten. Er. Er wolle sich jeden Tag narkotisieren lassen. Diesmal hätte er die allerbesten Horrorträume gehabt. Besser als der beste Film. »Ich habe das noch nie verstanden. Wie du diese Filme aushalten kannst.« Sie sei eben ein Blümchen und wirklich in der falschen Branche gelandet. »Nein. Das ist genau anders. Nur Leute wie ich gehen umsichtig vor. Jemand wie du. Einer wie du, der Angst zur Steigerung seines Lebensgefühls braucht. Der wäre unzuverlässig.« Das wäre aber allgemein bekannt. Dass er unzuverlässig sei. Wo sie denn nun wäre. »Ich versuche gerade, diesen Türrahmen wegzuschieben. Wenn ich. Ich muss da.« Sie solle nicht so ächzen. Er würde davon nicht beeindruckt. Ob sie es nun schon geschafft habe. Das wäre nun wirklich öde. Wie lange das alles bräuchte. Ob sie wirklich so geschickt sei, wie sie das glaube.
    Sie warf sich mit der Schulter gegen Tür mit dem daran hängenden Türrahmen. Sie hätte an der Tür ziehen müssen. Die Mauer war außen verrottet. Sie hätte die Tür nach innen ziehen müssen. Die Vorstellung. Diese Bewegung nach innen. Die Tür nach innen. Völlig unmöglich. Sie hätte davonlaufen müssen. Den Gang zurück. Und was dann. Sie schob und stieß. Sie spürte ihren Kopf rot werden vor Anstrengung. Am Ende gab das Holz nach,
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