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Die schlafende Armee

Die schlafende Armee

Titel: Die schlafende Armee
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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begannen zu zittern, aber das rote Fadenkreuz auf dem Monitor rührte sich nicht, sondern blieb unverrückbar auf der flachen Kuppel auf der Oberseite des Gleiters haften. Kyle trieb den Beschleunigungshebel mit einem Ruck bis zum Anschlag vor, und der Gleiter machte einen regelrechten Satz nach vorne. Charity schrie erschrocken auf, als Kyle das Fahrzeug fast senkrecht in die Höhe rasen ließ, plötzlich zur Seite abdrehte und in einer langgezogenen, taumelnden Spirale wieder auf den Boden zuraste. Der Verfolger folgte ihnen in derselben Flugbahn - und Charity sah nun, daß er tatsächlich näher kam. Der Pilot dieses Schiffes mußte ein Megakrieger wie Kyle sein - oder ein Computer. Kein anderes lebendes Wesen hätte dieses Flugmanöver nachvollziehen können. Der Gleiter raste mit irrsinniger Geschwindigkeit dem Boden entgegen. »Achtung jetzt!« sagte Kyle gepreßt. »Feuer!«  Ein einzelner, grellweißer Laserstrahl traf den verfolgenden Gleiter und prallte scheinbar wirkungslos von seiner gepanzerten Kuppel ab. Charity versuchte, einen zweiten Schuß abzugeben, aber diesmal blieb die erwartete gleißende Lichtflut aus: Die Energie der Strahlenkanonen war verbraucht.
    Sie bekam keine Gelegenheit zu einem dritten Versuch, denn plötzlich schrie Net neben ihr gellend auf, und auch Skudder und Helen gaben ein überraschtes Keuchen von sich. Der Boden schien dem Gleiter regelrecht entgegenzuspringen. Für eine einzige, entsetzliche Sekunde konnte Charity sehen, wie aus den verschwommenen Farbschattierungen unter ihnen plötzlich die Umrisse zerstörter Häuser wurden, dann riß Kyle das Fahrzeug in einer engen Schleife herum; die Ruinenstadt kippte unter ihnen weg, und fast im gleichen Moment konnte Charity spüren, wie irgend etwas mit fürchterlicher Wucht gegen die Unterseite des Gleiters krachte und sie aufriß. Grelle Flammen und ein riesiger Schatten erfüllten plötzlich das Fenster. Charity riß instinktiv die Hände vor das Gesicht, aber Kyle fand die Kontrolle über den Gleiter noch einmal wieder; im allerletzten Moment riß er das Fahrzeug herum und jagte es an dem Hindernis vorbei. Der Pilot des anderen Schiffes hatte weniger Glück. Die riesige Flugscheibe versuchte nicht einmal, den rasenden Sturzflug abzufangen, sondern bohrte sich mit unverminderter Geschwindigkeit zwei Meilen hinter ihnen in den Boden und explodierte in einem weißblauen, nuklearen Feuerball. Charity erfuhr niemals, was ihr Fahrzeug wirklich zerstört hatte: Kyles irrsinniges Flugmanöver, die Kollision mit dem Boden oder die Druckwelle der Atomexplosion, in der ihr Verfolger auseinanderbarst. Das nächste, woran sie sich erinnerte, war das Prasseln von Flammen, ein Gefühl unerträglicher Hitze auf der Haut und beißender, heißer Rauch, der sie ersticken wollte. Sie hustete, rang mit einem qualvollen Keuchen nach Luft und versuchte, sich aus dem Gewirr von Metall und Kunststoff zu befreien, in das sich ihr Sitz verwandelt hatte. Im ersten Moment gelang es ihr nicht einmal, auf die Füße zu kommen. Der Gleiter stand schräg wie ein gestrandetes Schiff; der Boden hatte sich in eine jäh abfallende, gefährliche Rampe aus spiegelglatten Metall verwandelt. Neben ihr erklang ein gedämpftes Wimmern. Charity richtete sich vorsichtig auf, hielt sich mit der linken Hand an einer gebogenen Metallstrebe fest und fuhr erschrocken zusammen, als sie erkannte, daß es Gurk war, dessen Stöhnen sie hörte. Der Zwerg hing über den zermalmten Überresten des Kontrollpultes; ein langer, rasiermesserscharfer Stahlsplitter hatte seinen Mantel durchbohrt. Im allerersten Moment sah es so aus, als wäre Gurk daran aufgespießt worden wie ein Schmetterling auf der Nadel eines Insektensammlers. Dann sah sie, daß das Trümmerstück nur das Cape des Zwerges durchbohrt hatte. Gurk war verletzt; aber nicht so schwer, wie sie im allerersten Moment befürchtet hatte. Hastig half sie ihm, sich aus den Trümmern zu befreien, stellte ihn wie ein Kind auf die Füße und sah sich nach den anderen um. Die Kabine war mit Flammen und beißendem Rauch gefüllt, so daß sie nur Schatten erkennen konnte, aber zumindest auf den ersten Blick schien es, als hätten sie alle noch einmal Glück gehabt: Kyle und Skudder machten sich gerade mit vereinten Kräften an der verzogenen Tür zu schaffen, während Net versuchte; Barlers Tochter unter einem zertrümmerten Instrumentenpult hervorzuziehen, unter das sie der Aufprall geschleudert hatte. Skudder und Kyle
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