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Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers

Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers

Titel: Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
Autoren: Monika Felten
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sich zu sammeln. Der Rückblick auf den vergangenen Sommer bereitete ihm keine Schwierigkeiten, schließlich gab es nur Gutes zu berichten. Der Ausblick auf das kommende Jahr war es, der ihn plagte.
    Wie viele in seiner Familie besaß er eine angeborene Sehergabe. Sie war nur schwach ausgeprägt und reichte nicht dazu, sich in der Kunst des Sehens schulen zu lassen. Doch Fedeon, der zudem auch eine große musische Begabung aufwies, nutzte sie seit frühester Jugend dazu, einfache Weissagungen in seine Lieder und Texte einfließen zu lassen. Damit hatte er im Lauf der Sommer so viel Erfolg gehabt, dass man ihm vor zwei Mondläufen die ehrenvolle Aufgabe übertragen hatte, Lieder und Gebete für die bevorstehende Erntefeier zu verfassen.
    Fedeon war überglücklich und fühlte sich am Ziel seiner Träume. Bisher waren die Gesänge zu den Festen nur von den erfahrenen Skalden in Nimrod komponiert worden. Er war der jüngste seiner Zunft, der jemals mit einer solch wichtigen Aufgabe betraut worden war, und fest entschlossen, die Druiden nicht zu enttäuschen. So hatte er sich denn auch sogleich ans Werk gemacht und in nächtelanger Arbeit verschiedene Lieder niedergeschrieben, aus denen der Druidenrat bereits zwei für den Festakt ausgewählt hatte. Das Einzige, was jetzt noch fehlte, war die Abfassung des Dankgebetes. Dessen Wortlaut sollte im Gegensatz zu den Liedern nicht nur ein Licht auf die vergangenen Mondläufe werfen, sondern gleichzeitig auch einen Ausblick auf kommende Ereignisse geben.
    Und genau da wurde es schwierig.
    Jedes Mal, wenn Fedeon sich in die leichte Entrücktheit versetzte, die nötig war, um Visionen zukünftiger Ereignisse zu empfangen, geschah nichts. Zunächst hatte er noch geglaubt, die Leere sei eine Folge seiner ungeschulten Sinne; immerhin war es schon häufiger vorgekommen, dass er nicht auf Anhieb Bilder der Zukunft hatte sehen können. Doch als es ihm nach drei Sonnenläufen immer noch nicht gelungen war, hatte er angefangen, sich Sorgen zu machen. Jetzt, nach fünf Sonnenläufen vergeblicher Versuche, war er nur mehr ratlos.
    »Bist du noch immer nicht weitergekommen?« Paira hatte sich lautlos von hinten an Fedeon herangeschlichen und schlang ihm die Arme um die Schultern. »Gräme dich nicht«, sagte sie tröstend und vergrub ihr Gesicht in Fedeons Haar. »Die Bilder werden kommen, du wirst sehen.« Sie pflückte einen Grashalm ab und kitzelte ihn damit neckend am Ohr.
    »Paira, wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst mich nicht stören, wenn ich arbeite.« Fedeon drehte sich um und fasste seine Gefährtin bei den Schultern. Doch der Versuch, die Worte durch einen strengen Blick zu unterstreichen, misslang. In Wahrheit freute er sich nämlich sehr, das hübsche Mädchen zu sehen, dessen schwarze Locken offen über die Schulter fielen und bis zu den Hüften hinabreichten. Paira war jung, bezaubernd und immer fröhlich. Ihr fein geschnittenes Gesicht mit der kleinen spitzen Nase und einer Haut, die selbst im Winter noch sonnengebräunt wirkte, hatte Fedeon schon zu so manchem feurigen Liebesgedicht verleitet, und die jadegrünen Augen verströmten einen Liebreiz, den selbst er kaum in Worte kleiden konnte. Ihre Schönheit betörte ihn immer wieder, doch was noch wichtiger war: Paira war genau so unsterblich in ihn verliebt wie er in sie. Zur Wintersonnenwende, so war es besprochen, würden sie den Bund eingehen, und Fedeon wünschte sich nichts sehnlicher, als sie für den Rest des Lebens an seiner Seite zu wissen.
    »Ach, Meisterbarde, jetzt hab dich nicht so gestreng.« Paira lachte, strich sich die widerspenstigen Locken aus der Stirn und schob die Lippen näher an Fedeons Mund heran. »Ich hatte solche Sehnsucht nach dir«, hauchte sie leise, während sie ihm mit dem Zeigefinger sanft über den sorgfältig gestutzten Kinnbart strich. »Drei Sonnenläufe habe ich dich nicht gesehen. Drei scheußlich lange Sonnenläufe. Und alles nur wegen dieser unsäglichen Visionen, die nicht kommen wollen«, sagte sie gekränkt und fügte schmollend hinzu: »Die Frauen auf dem Markt behaupten schon, du würdest einer anderen schöne Augen machen.«
    »So, tun sie das?« Fedeon umfasste zärtlich ihr Gesicht und zog sie zu sich heran. Das Gerede der geschwätzigen Marktweiber war blanker Unsinn und kümmerte ihn wenig. Für ihn gab es nur eine Frau, und das war Paira. Doch seine Gefährtin hatte Recht. In dem Ärger über die ausbleibenden Visionen hatte er sie sträflich vernachlässigt.
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