Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers

Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers

Titel: Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
Autoren: Monika Felten
Vom Netzwerk:
sie mit dem Stab der Weisheit wiederum eine kreisende Bewegung vollführte. »Es steht nicht in meiner Macht, ungeschehen zu machen, was deinem Volk angetan wurde, aber ich möchte dir zum Dank zumindest die Möglichkeit geben, etwas wiederzubekommen, das du vor langer Zeit verloren hast.« Sie hob den Stab und murmelte Worte, die Naemy nicht verstand. Auf dem Spiegel erschien eine Spirale aus abertausend winzigen Lichtern, die langsam auf einen dunklen Mittelpunkt zustrebten, wo sie verloschen. Dann dehnte sich die dunkle Mitte überraschend aus, wuchs immer weiter und war schließlich so groß, dass sie nur noch von einem dünnen Ring aus Lichtern eingefasst wurde.
    »Sieh genau hin«, forderte die Göttin Naemy auf. »Dies ist der Ort, an dem deine Aufgabe beginnt.« Sie machte eine knappe Handbewegung, und in dem Fenster erschien das Bild einer nächtlichen Ebene, die von unzähligen Feuern erhellt wurde. Auf einem flachen Hügel am Rand dieser Ebene bewegte sich etwas. Neugierig trat Naemy näher an den Spiegel heran, doch erst als sie genau hinsah, begriff sie, was der Spiegel ihr zeigte und welch ungeheuerliche Gabe die Göttin ihr bot. »Muinthel - Schwester«, flüsterte sie und hob die Hand, als wollte sie das Bild berühren. Dann aber hielt sie ehrfürchtig inne, ließ die Hand sinken und starrte gebannt auf die zierliche Gestalt mit den hellen Haaren, die im Schatten des Hügels kauerte. »Muinthel«, hauchte sie noch einmal mit Tränen in den Augen, wandte sich der Gütigen Göttin zu und sagte mit erstickter Stimme: »Ich bin bereit.«
     

 
ERSTES BUCH
SHARI
     
1
     
    »Bei den Toren, warum gelingt es mir nicht?« Enttäuscht öffnete Fedeon die Augen und blickte über die weite, grasbewachsene Ebene, an deren Ende sich die imposanten Mauern Nimrods vor dem Hintergrund der schneebedeckten Valdor-Berge in die Höhe reckten.
    Der junge Skalde trug die lange dunkelbraune Weste seiner Zunft und darunter ein grob gewebtes weißes Leinenhemd, das auf der Brust mit einem schmalen Lederbändchen geschlossen wurde. Fedeons auf Kinnhöhe gestutzten Haare waren vom gleichen warmen Farbton wie die Weste und die haselnussbraunen Augen. Mit Pergament, Feder und Tintenfass gerüstet, saß er wie so oft im ersten Licht der aufgehenden Sonne auf einem flachen Hügel in der Nähe der Festungsstadt und wartete auf eine poetische Eingebung.
    Nimrod war das Herz von Thale, einem friedlichen Land, in dem es neben der zweitgrößten Stadt Daran nur Dörfer und vereinzelte Gehöfte gab. Doch die Festungsstadt war nicht nur ein Ort blühender Künste und Sitz des herrschenden Druidenrates, sie beherbergte auch den Tempel der Gütigen Göttin, das größte religiöse Heiligtum des Landes. Zweimal im Jahr nahmen unzählige Bewohner Thaies eine weite Reise auf sich, um den eindrucksvollen Zeremonien beiwohnen zu können, die zur Feier der Tagundnachtgleiche in Nimrod abgehalten wurden.
    Fedeon seufzte. In zwanzig Sonnenläufen würde es wieder so weit sein. Das Erntefest zu Ehren der Gütigen Göttin stand dicht bevor, und ihm war noch immer keine einzige Zeile für das Dankesgebet eingefallen, das der oberste Druide zu diesem Anlass zu sprechen pflegte. Missmutig las Fedeon einen kleinen Stein vom Boden auf, schleuderte ihn den flachen Abhang hinunter und starrte noch eine Weile auf die Stelle, wo er im kniehohen Gras verschwunden war. Die langen Halme waren braun und vertrocknet und erinnerten Fedeon daran, dass sich ein langer, regenarmer Sommer dem Ende zu neigte. Die prall gefüllten Ähren aber zeugten davon, wie das Frühjahr mit feuchtwarmer Witterung dafür gesorgt hatte, dass die Bauern eine gute Ernte einbringen konnten.
    Drei Wochen früher als im Sommer zuvor hatten die Bauern das Getreide einfahren können, und dem anhaltenden Sonnenschein war es zu verdanken, dass auch das letzte Korn trocken in den Speichern lagerte.
    Dort, wo die Sonnenstrahlen den Boden erwärmten, dampfte die frisch aufgebrochene Krume der abgeernteten Felder in der Morgenkühle. Ein leichter Wind trug Fedeon den würzigen Geruch der dunklen, feuchten Erde zu. Von seinem erhöhten Platz aus konnte er sehen, dass die Bauern ringsumher bereits damit beschäftigt waren, die winterharte Saat für die kommende Ernte auszubringen. Der junge Skalde seufzte. Alle hatten längst mit ihrem Tagewerk begonnen, nur er
    hatte noch nicht einmal eine Zeile ersonnen, mit der das Dankgebet beginnen konnte. Betrübt schloss er die Augen und versuchte erneut,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher