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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
Autoren: Ken Follett
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gar so wichtig, wen sie heiratet.«
    »Trotzdem …«
    »Der Graf ist ein unbeugsamer Mann«, fuhr der Knappe fort. »Er steht zu seinem Wort – selbst wenn er es nur einem Kind gegeben hat.« Er zuckte mit den Schultern. »So heißt es jedenfalls.«
    Tom betrachtete die niedrigen Grundmauern des künftigen Hauses. Ich habe noch nicht genug Geld gespart, um die Familie gut über den Winter zu bringen … Der Gedanke ließ ihn frösteln.
    »Vielleicht wird der junge Herr eine andere Braut finden, die bereit ist, hier mit ihm zu leben. Er hat die Wahl – die ganze Grafschaft steht ihm zur Verfügung.«
    Mit der krächzenden Stimme des Heranwachsenden rief Alfred: »Jesus Christus! Ich glaube, da kommt er.«
    Sie alle folgten seinem Blick. Vom Dorf her kam ein Pferd übers Feld herangaloppiert und zog eine Wolke aus Staub und aufgewirbelter Erde hinter sich her. Sowohl die Größe als auch die Geschwindigkeit des Pferdes hatten Alfred erschreckt: Es war geradezu riesig. Tom hatte solche Tiere schon gesehen, Alfred wahrscheinlich nicht. Es handelte sich um ein Schlachtross, am Widerrist so hoch wie das Kinn eines Mannes und unverhältnismäßig breit gebaut. In England wurden solche Pferde nicht gezüchtet; sie stammten aus dem Ausland und waren sündhaft teuer.
    Tom ließ die Reste seiner Mahlzeit in der Schürzentasche verschwinden und kniff die Augen zusammen, um im Gegenlicht besser sehen zu können. Das Pferd hatte die Ohren angelegt, und seine Nüstern bebten, doch aus dem hoch getragenen Kopf glaubte Tom schließen zu können, dass der Reiter es noch unter Kontrolle hatte. Der Eindruck bestätigte sich, als Ross und Reiter näher kamen: Der Reiter lehnte sich zurück und zerrte an den Zügeln, das Pferd schien tatsächlich etwas langsamer zu werden. Tom spürte jetzt, wie die trommelnden Hufe den Boden unter seinen Füßen erzittern ließen. Er sah sich nach Martha um, wollte sie auf den Arm nehmen, damit sie nicht in Gefahr geriet, doch Martha war verschwunden.
    »Sie ist im Getreidefeld«, sagte Agnes, doch darauf war Tom schon selbst gekommen. Rasch lief er zum Rain des Feldes, das unmittelbar an die Baustelle anschloss, und spähte besorgt über den wogenden Weizen. Von Martha keine Spur. Jetzt sah er nur noch eine Möglichkeit, das drohende Unheil abzuwenden: Er musste dem Pferd Einhalt gebieten, musste zumindest versuchen, es in seinem wilden Lauf zu bremsen.
    Er trat auf den Feldweg hinaus und ging mit ausgebreiteten Armen auf Pferd und Reiter zu. Das Tier bemerkte ihn, hob den Kopf, um besser sehen zu können, und wurde tatsächlich langsamer. Doch dann sah Tom zu seinem großen Entsetzen, wie der Reiter dem Pferd die Sporen gab.
    »Verdammter Narr!«, brüllte er ihm entgegen, obwohl der Reiter ihn gar nicht hören konnte.
    In diesem Augenblick schlüpfte Martha aus dem Weizenfeld auf den Weg, nur ein paar Meter vor Tom.
    Der war im ersten Moment wie gelähmt vor Schreck. Dann sprang er vor, schreiend und wild mit den Armen fuchtelnd, um das Tier abzulenken. Doch das Pferd war ein Schlachtross; es war darauf dressiert, johlende Kriegerhorden zu attackieren, und ließ sich durch nichts beirren. Mitten auf dem schmalen Weg stand Martha wie angewurzelt und starrte auf das Untier, das auf sie zustürmte. Tom erkannte verzweifelt, dass er seine Tochter nicht mehr rechtzeitig erreichen konnte. Er wich nach links aus, geriet beinahe ins Weizenfeld, und da, im allerletzten Moment, machte auch das Pferd einen leichten Schwenk zur Seite. Der Steigbügel des Reiters streifte Marthas Goldhaar, dicht neben ihren nackten Füßen fuhr ein Huf auf den Boden und trat ein tiefes Loch hinein. Dann war das Pferd vorüber, und aufgewühlte Erde regnete auf die beiden herab. Tom riss seine Tochter an sich und drückte sie fest an sein wild klopfendes Herz.
    Die Erleichterung drohte ihn zu überwältigen. Die Glieder wurden ihm schwach, und ihm war, als rönne Wasser durch seine Adern. Doch gleich darauf kam die Wut – Wut auf diesen rücksichtslosen Dummkopf auf seinem gewaltigen Schlachtross. Er sah sich nach ihm um. Lord William lehnte sich im Sattel ein wenig zurück und streckte die Füße in den Steigbügeln vor. Das Pferd warf unruhig den Kopf hin und her und bockte, doch William blieb im Sattel. Er ließ das Pferd kantern, dann fiel es in einen leichten Trab. In einem weiten Kreis führte er es an die Baustelle heran.
    Martha weinte. Tom überließ sie ihrer Mutter und wartete auf William. Der junge Herr war
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