Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Gewölbe im Erdgeschoss, das Einziehen des Bodens im ersten Stock sowie die Errichtung des Daches. Bis Pfingsten nächsten Jahres würde der Bau die Familie ernähren. Dann war das Kleine ein halbes Jahr alt, und sie konnten mit ihm weiterziehen. »Schön«, sagte er zufrieden, »das ist schön«, und schob sich noch einen Zwiebelschnitz in den Mund.
    »Ich werde langsam zu alt zum Kinderkriegen«, sagte Agnes. »Das muss jetzt das letzte sein.«
    Tom dachte über ihre Worte nach. Er wusste nicht genau, wie alt sie war, jedenfalls nicht nach Jahren, doch dass Frauen ihres Alters Kinder bekamen, war durchaus keine Seltenheit. Je älter sie waren, das stimmte allerdings, desto schwerer fiel es ihnen und desto schwächer waren die Kinder. Gewiss hatte Agnes recht.
    Aber wie will sie eine neue Schwangerschaft verhindern? Als ihm die Antwort einfiel, legte sich ein Schatten auf sein sonniges Gemüt.
    »Vielleicht finde ich Arbeit in einer Stadt«, sagte er, um sie zu besänftigen, »an einer Kathedrale oder einem Bischofssitz. Dann können wir in einem großen Haus mit Holzdielen wohnen und uns ein Mädchen leisten, das dir zur Hand geht.«
    Ihr Ausdruck verhärtete sich, und ihre Antwort klang skeptisch: »Vielleicht.« Sein Gerede über Kathedralen behagte ihr nicht.
    Ihre Miene schien zu sagen: Wenn du niemals an einer Kathedrale gearbeitet hättest, dann lebten wir wahrscheinlich längst in einem Stadthaus, hätten genug gespartes Geld unter der Feuerstelle vergraben und brauchten uns um unsere Zukunft nicht zu sorgen.
    Tom wandte den Blick von ihr und biss ein Stück Schinkenspeck ab. Sie hatten Anlass zum Feiern, und dennoch herrschte Missstimmung zwischen ihnen. Er kam sich gedemütigt vor. Wortlos kaute er an dem zähen Fleisch. Dann hörte er plötzlich Pferdegetrappel und hob lauschend den Kopf. Der Reiter kam von der Straße her, vermied jedoch das Dorf, indem er die Abkürzung durch den Wald nahm.
    Einen Augenblick später erschien ein junger Mann auf einem Pony und sprang ab. Er sah aus wie ein Knappe, eine Art Ritterlehrling. »Euer Herr kommt«, sagte er.
    Tom erhob sich. »Ihr meint Lord Percy?« Percy Hamleigh war einer der wichtigsten Männer der Grafschaft. Ihm gehörte das Tal – und nicht nur dieses –, und er war es auch, der den Hausbau in Auftrag gegeben hatte und bezahlte.
    »Sein Sohn«, sagte der Knappe.
    »Der junge William.« Percys Sohn William sollte das Haus nach seiner Hochzeit beziehen. Er war mit Lady Aliena, der Tochter des Grafen von Shiring, verlobt.
    »Eben derselbe«, antwortete der Knappe. »Und er ist sehr erbost.«
    Tom erschrak. Verhandlungen mit einem Bauherrn waren im günstigsten Fall schwierig. Ein wütender Bauherr war schlicht und einfach unerträglich. »Worüber ist er erbost?«
    »Seine Braut hat ihn zurückgewiesen.«
    »Die Tochter des Grafen?«, erwiderte Tom überrascht und spürte auf einmal Angst. Hatte er sich nicht eben erst in Sicherheit über seine Zukunft gewiegt? »Ich dachte, die Ehe sei längst vereinbart.«
    »Das dachten wir alle – nur Lady Aliena nicht, wie es scheint«, sagte der Knappe. »Sie hatte ihn kaum erblickt, da verkündete sie auch schon, dass nichts in der Welt sie dazu bewegen könne, ihn zu heiraten.«
    Tom runzelte die Stirn. Die Sache gefiel ihm ganz und gar nicht. »Soweit ich mich entsinne, sieht der junge Herr doch gar nicht übel aus«, sagte er.
    »Als ob es darauf ankäme, in ihrer Stellung«, bemerkte Agnes. »Wo kämen wir hin, wenn Grafentöchter sich ihre Ehemänner selbst aussuchen könnten? Fahrende Sänger und dunkeläugige Spitzbuben würden uns regieren!«
    »Vielleicht ändert das Mädchen seine Meinung ja noch«, meinte Tom hoffnungsvoll.
    »Ja, wenn ihre Mutter die Birkenrute sprechen lässt, dann schon«, ergänzte Agnes.
    »Ihre Mutter lebt nicht mehr«, sagte der Knappe.
    Agnes nickte. »Kein Wunder, dass ihr der Blick für die Realitäten des Lebens fehlt. Aber warum weist ihr der Vater nicht den Weg? Das verstehe ich nicht.«
    »Es hat den Anschein, dass er ihr versprochen hat, sie niemals einem Mann zur Frau zu geben, den sie nicht mag.«
    »Ein törichtes Versprechen!«, schimpfte Tom. Wie konnte sich ein mächtiger Herr den Launen eines jungen Mädchens ausliefern? Militärische Allianzen, die gräflichen Finanzen, ja, sogar die Fertigstellung des Hauses konnten in der einen oder anderen Weise von dieser Eheschließung betroffen sein.
    »Sie hat einen Bruder«, sagte der Knappe. »Insofern ist es nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher