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Die Sache mit dem Ich

Die Sache mit dem Ich

Titel: Die Sache mit dem Ich
Autoren: Marc Fischer
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Spanier, Holländer, Italiener, Dänen mit Easyjet her, nur um mitzutanzen! Irre, oder? Ist das nicht ein absolut unfassbarer, gigantischer Wahnsinn?«
    »Davon habe ich schon gehört«, sagte Mimi sehr langsam. »Techno heißt das, nicht? Oder House?«
    »Es gibt auch viele Drogen hier, und megaliterweise Wodka wegen der ganzen Russen«, flüsterte ich jetzt in ihr Ohr.
    »Natürlich«, sagte Mimi. »Das leuchtet ein, klar.« So richtig erleuchtet sah sie allerdings immer noch nicht aus, eher abwesend, als blicke sie irgendwo in die Ferne – nach Buenos Aires vielleicht, zu ihrem Freund, einer Freundin, ihrem Hund? War sie eher der Katzentyp? Ich nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste es.
    »So machen wir das hier, in Berlin«, sagte ich.
    Das verstand sie sofort.

[Menü]
Wovon wir reden, wenn wir von James Dean reden
    »Ein Fisch im Wasser hat keine Wahl, er ist das, was er ist. Genial wäre er, wenn er im Sand schwimmen könnte ... Wir sind Fische und ertrinken.«
    James Byron Dean
    Wir waren zu dritt, Nullmann, der Signore und ich, und saßen beim Signore zu Hause und schauten uns DVD s an. Auf Wunsch des Signore war es unser »James-Dean-Tag«.
    Wir schauten »... denn sie wissen nicht, was sie tun«. Der Signore trug eine schmal geschnittene rote Baumwolljacke, seine »James-Dean-Jacke«; er hatte sich die paar Haare, die er noch hat, zu seiner »James-Dean-Frisur« zurückgegelt und seine im Lauf der Jahre schon etwas fülliger gewordenen Oberschenkel in sehr enge »James-Dean-Jeans« gezwängt.
    Der Signore bestand darauf, an diesem Abend nicht Signore, sondern »James Dean« genannt zu werden.
    Wir waren also zu dritt, Nullmann, James Dean und ich, und wir saßen bei James Dean zu Hause und schauten uns DVD s an.
    Wir kamen zu der Szene vor dem Planetarium, in der Jim Stark (Dean) und sein Gegner Buzz (Corey Allen) mit dem Messer aufeinander losgehen. Jimmy Dean machte seine Bewegungen, die Messerstecher-Bewegungen, die bis zum heutigen Tag so berühmt sind. Er durchschnitt die kalifornische Luft mit diesen Bewegungen, zickzack, zickzack. Sein kleiner, schwacher, einsamer Freund Plato (Sal Mineo) und seine Freundin Judy (Natalie Wood), eigentlich Buzz’ Mädchen, waren auch in der Nähe.
    »Ich will mich ja nicht beschweren, aber«, sagte Nullmann, der schon den ganzen Tag über an allem gemäkelt hatte, am Wetter, am Bier, am Käse, an den Brezeln, die wir uns für diesen Tag besorgt hatten.
    »Dann tu’s auch nicht und halt den Mund«, sagte der Signore, sagte also James Dean.
    »Also, ich finde Jimmy Dean völlig überschätzt«, sagte Nullmann und schob sich eine Brezel in den Mund.
    Der Signore, also James Dean, drehte sich aus dem Ohrensessel, in den er versunken war, zu Nullmann um. Er kniff die Augenbrauen zusammen.
    »Wenn man sich’s recht überlegt«, sagte Nullmann und nahm nun einen großen Schluck Bier, »ist alles, was von Jimmy Dean nach seinem Tod vor fünfzig Jahren übrig geblieben ist, ein Riesenhaufen Scheiße, mit dem sich die Jugend der Welt bis heute rumschlagen muss.«
    »So?«, machte der Signore, also James Dean, und erhob sich ein Stück aus dem Ohrensessel.
    »Ja«, sagte Nullmann und zeigte mit der Hand, die das Bier hielt, auf den Riesenbildschirm, den sich der Signore, also James Dean, erst vor Kurzem, erst extra für diesen Anlass also, gekauft hatte.
    »Ich meine: Kam eigentlich irgendein Jugendlicher auf die Idee, mit einem Messer in der Hosentasche rumzulaufen, bevor es JamesDean gab? Gab es überhaupt Halbstarke, die sich gegenseitig durch Autorennen umbrachten, bevor es Dean gab? Die saudämliche Illusion, dass ewige Jugend an sich wünschenswert sei, dieses ganze Livefastdieyoung-Ding – verdanken wir diesen Fluch nicht ihm? Und diese schlimmen, schädlichen, krebserregenden Zigaretten, die wir trotz allem immer noch rauchen, auch du«, Nullmann wies auf den Signore, der sich gerade eine blaue Gauloise angezündet hatte, »rauchen wir sie nicht allein wegen ihm, diesem am Endedoch nur mittelbegabten, halbblinden Amateur-Rennfahrer, der noch dazu zu eitel war, eine Brille zu tragen, bei minus vier Dioptrien oder wie viel er hatte?«
    »Ich meine: ja«, schloss Nullmann seinen Vortrag, nahm einen weiteren Schluck Bier und fügte hinzu: »Wenn schon James, dann Bond; wenn schon Dean, dann Martin.«
    Ich schaute mir den Signore an, also James Dean. Ich kenne ihn, den Signore, also James Dean, seit Jahren, er ist einer meiner ältesten Freunde und normalerweise
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