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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin
Autoren: Anne Perry
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die noch nie ein Kind hatte. Aber sie ist im ganzen Land sehr beliebt.«
    »Friedrich und Gisela hatten keine Kinder?«
    »Nein, Waldo übrigens auch nicht.«
    »Ist Waldo verheiratet?«
    »O ja, mit Prinzessin Gertrudis. Ich würde gern sagen, daß ich sie nicht mag, aber das kann ich nicht.« Mit einem Auflachen machte sie sich über sich selbst lustig. »Sie ist all das, was ich eigentlich verachte und hoffnungslos öde finde. Sie ist häuslich, gehorsam, sanft, züchtig gekleidet, nett anzusehen und zu jedermann freundlich. Sie scheint zu allem die angemessenen Worte zu wissen und sagt sie auch!«
    Er schmunzelte. »Und das finden Sie öde?«
    »Unglaublich sogar! Jede Frau kann Ihnen das bestätigen, Sir Oliver. Wenn sie ehrlich ist, wird sie Ihnen sagen, daß solche Wesen eine Beleidigung unserer Natur sind.«
    Ihm kam spontan Hester Latterly in den Sinn, die so stur, unnachgiebig, ungerecht und aufbrausend werden konnte, wenn sie woanders Dummheit, Grausamkeit, Feigheit oder Heuchelei entdeckte. Als gehorsam konnte er sie sich auf keinen Fall vorstellen. Sie mußte für die Soldaten ein einziger Alptraum gewesen sein, als sie im Krimkrieg im Lazarett gearbeitet hatte. Er lächelte unwillkürlich. Sie hätte Zorah garantiert zugestimmt.
    »Jemand, den Sie sehr gern mögen, ist Ihnen eingefallen.« Zorah hatte ihn aus seinen Gedanken gerissen, und wieder spürte er, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. »Sagen Sie mir , warum Sie Gertrudis trotz allem mögen«, brummte er unwirsch.
    Seine Verlegenheit amüsierte sie. »Weil ihr Humor einfach köstlich ist«, erwiderte sie lachend. »So einfach ist das. Es fällt uns schwer, jemanden abzulehnen, der uns mag und zudem die Gabe hat, das Absurde im Leben zu sehen und es dennoch zu genießen.«
    Dem mußte Rathbone wohl oder übel zustimmen, obwohl er lieber widersprochen hätte. Schon wieder war es ihr gelungen, ihn aus der Fassung zu bringen. Er kehrte abrupt zu seiner noch unbeantworteten vorangegangenen Frage zurück. »Was will Brigitte? Auf welcher Seite steht sie? Ist sie für oder gegen die Vereinigung? Wollte sie Königin werden? – Oder ist das eine törichte Frage?«
    »Nein, Ihre Frage ist ganz und gar nicht töricht. Ich glaube nicht, daß Brigitte Königin werden wollte, aber sie wäre dazu bereit gewesen, wenn sie es als ihre Pflicht angesehen hätte.« Mit einem Schlag war alle Belustigung aus Zorahs Gesicht gewichen. »Öffentlich sprach sie sich dafür aus, daß er zurückkehren und den Kampf für die Unabhängigkeit anführen sollte. Insgeheim hoffte sie allerdings wohl eher, er möge in seinem Exil bleiben und ihr die Erniedrigung einer Hochzeit mit ihm ersparen.«
    »Erniedrigung?« Das konnte Rathbone nun wirklich nicht verstehen. »Was kann an einer Hochzeit mit einem König erniedrigend sein, zumal wenn man im Volk sehr beliebt ist?«
    »Ganz einfach!« rief sie in scharfem Ton und blitzte ihn verächtlich an. »Eine Frau von Format heiratet keinen Mann, der vor aller Öffentlichkeit einer anderen zuliebe auf Thron und Land verzichtet hat! Würden Sie eine Frau heiraten, die in einer der größten Liebesgeschichten der Welt die weibliche Hauptrolle gespielt hat, während Sie nicht einmal Statist waren?«
    Er kam sich vor wie ein dummer Junge. Wie wenig er doch begriffen hatte! Ein Mann mochte nach Macht, Ämtern, Ansehen streben; aber er hätte sich denken können, daß eine Frau entweder Liebe wollte, oder, wenn sie die nicht bekam , dann wenigstens einen äußeren Anschein davon. Er kannte nicht viele Frauen sehr gut, aber er hatte geglaubt, über sie Bescheid zu wissen. Er hatte genügend Fälle mit Frauen erlebt, wie sie gemeiner oder verletzlicher oder durchtriebener, klüger oder grenzenlos dümmer nicht hätten sein können. Und doch stellte ihn Hester immer noch vor Rätsel – bisweilen zumindest.
    »Überlegen Sie nur, wie das für Sie wäre, wenn Sie sich von jemandem lieben lassen müßten, der das nur tut, weil es seine Pflicht ist!« setzte sie unbarmherzig nach. »Mir würde davon schlecht werden. Genausogut könnte man mit einer Leiche ins Bett gehen!«
    »Also bitte!« protestierte er. Diese Frau konnte im einen Augenblick ungemein einfühlsam sein und im nächsten abstoßend vulgär. Er war peinlich berührt. »Ich habe Ihr Anliegen verstanden, Madam. Sie brauchen es nicht zu illustrieren.« Er senkte die Stimme, kämpfte mühsam um Beherrschung. Sie sollte doch nicht merken, wie sehr sie ihn aus der Fassung gebracht hatte.
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