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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin
Autoren: Claudia Groß
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krank. Wenn er stirbt, erbt Berthold den Titel. Er wird dann ein mächtiger Mann. Maria, es wird keinen Prinzen geben, der dich wachküßt.«
    »Und wo werden wir leben?«
    »Hier. Bis Berthold den Titel erbt. Und das kann nicht mehr lange dauern. Der Bruder hat ein Herzleiden, für das es keine Heilung gibt. Ein halbes Jahr vielleicht noch, höchstens ein Jahr. Ich habe Maesfeld einen Boten geschickt. Dein zukünftiger Mann dürfte schon auf dem Weg hierher sein …«
    Maria schwieg. Ihr Vater würde ihr keinen Grobian zum Mann geben, auch keinen Dummkopf oder habgierigen Heiratsschwindler. Ihr Vater würde sich den Mann, den sie bekommen sollte, gut angesehen haben, denn ihr Vater liebte sie. Und dennoch spürte sie, wie die Tränen kamen, weil sie diesen Maesfeld nicht wollte.
    Raupach nahm ihre Hand und drückte sie.
    »Du hast Sachsen immer gehaßt wie die Pocken, Maria«, sagte er, »denk daran, daß du mit Maesfeld nach Schwaben gehen kannst. Du hast dir immer gewünscht, dieses Land zu verlassen.«
    Sie nickte. Ihr Vater hatte recht. Vielleicht konnte kein Mann so schrecklich sein wie dieses öde, gottlose Land Sachsen.
    Aber sie hatte ihr Herz doch schon vergeben, da schien kein Platz mehr für einen anderen Mann, auch wenn ihre Liebe nie eine Zukunft gehabt hatte.

URUZ
    Á
     
    »Ein anderes kann ich,
den Erdenkindern nützt es,
die heilende Hand üben,
es scheucht Krankheit und die Schmerzen alle,
heilt Wunden und Weh.«

Schon seit fast einer Woche lagerte Berthold von Maesfeld auf offenem Feld. Er konnte nicht mehr reiten und weigerte sich, auf einer Trage weiterzuziehen.
    Es war dunkel geworden. Er lag in seinem Zelt, und der dichte Nebel stahl sich selbst durch den Spalt der Zeltöffnung. Vom Boden stieg die Kälte auf. Eine Öllampe spendete ein wenig Licht, und der Leibdiener huschte wie ein Schatten durch den Raum. Maesfeld wälzte sich bald hier-, bald dorthin, aber die Schmerzen wollten nicht nachlassen. Die Wunde an seiner Hüfte eiterte wieder. Er drückte die Hand gegen den durchnäßten Verband und hielt den Atem an. Fieber stieg auf, er spürte es, dieses Frösteln, das Zittern.
    »Wo ist Cainnech?« fragte er den Leibdiener, der ihm einen Becher mit Wasser reichte. Er brauchte diesen Iren, der offenbar der einzige Mensch auf Gottes weitem Erdboden zu sein schien, der ihm helfen konnte.
    »Ich habe nach ihm schicken lassen«, sagte der Leibdiener. Berthold streckte sich aus. Er entließ den Mann in die finstere Nacht. Neumond. War der Ire darum nicht aufzufinden? Dauernd faselte er vom Mond und seinen Phasen und suchte in dieser pechschwarzen Finsternis nach Kräutern. Heidnisches Zeug. Teufelswerk!
    Neumond also. Zeit zwischen den Welten, Zeit im Nichts. Berthold stöhnte. In zwei Wochen sollte er heiraten, aber er lag seit sechs Tagen in diesem Zelt und kam nicht weiter. Vor ebenfalls zwei Wochen war er in Ulm aufgebrochen, sofort nachdem er die Einladung Raupachs erhalten hatte. Er kannte Maria nicht, aber er hätte auch eine alte Vettel mit einem Buckel und schiefen Zähnen geheiratet, nur um endlich seinem Bruder, dieser Ausgeburt der Hölle, den Rücken kehren zu können. Mit dem lag er ständig im Zwist. Er hatte da noch eine Rechnung offen, die zu begleichen er begierig war, und mit Raupachs Hilfe würde ihm vielleicht gelingen, was er sich immer erhofft hatte …
    Er legte sich auf die Seite und preßte die Wunde gegen die harte Pritsche. Manchmal half Druck auf die Wunde, machte sie wie taub, so daß das ewige Brennen und Ziehen aufhörte, um ihn aber dann, wenn er sich wieder umdrehte, noch toller zu quälen. Vielleicht würde sich die Sache ganz von selbst erledigen, dachte er müde und zerquält. Wenn der Bruder nämlich an seinem harten, kranken Herzen sterben würde.
    Die Vorstellung, Raupachs arrogante Tochter zu heiraten, gefiel ihm. Der Kaiser hielt große Stücke auf sie und ihren Vater, und er selbst würde bald ein reicher Mann sein. Denn sein Bruder war noch kränker als er, dem nur eine Schwertwunde an der Hüfte Schwierigkeiten machte. Er würde Maria heiraten und abwarten. Berthold drehte sich auf die gesunde Seite, dämmerte in der mondlosen Nacht unruhig dahin, träumte von Maria und hörte im Halbschlaf den Regen auf das Zeltdach prasseln.
    Als das Morgengrauen einsetzte, erwachte er von lautem Sporengeklirr. Jemand schlug den Eingang des Zelts zur Seite. Berthold hob erschöpft das Gesicht aus den klammen Kissen. Es war der Ire.
    »Endlich«, murmelte der Kranke.
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