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Die Rückkehr der Zehnten

Titel: Die Rückkehr der Zehnten
Autoren: Nina Blazon
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im Spiegel in die Augen. Ihr Herz klopfte. Jetzt oder nie, dachte sie. »Mama?«
    »Ja?«
    »Lasst ihr euch scheiden?«
    Im Spiegel sah sie, wie ihre Mutter blass wurde und sich auf die Lippe biss. »Hat dir das dein Vater gesagt?«
    Erschrecken krampfte sich mit kalter Hand um Lis’ Hals. »Nein, Sascha hat es aufgeschnappt.«
    Der Ausdruck in Mutters Augen verhärtete sich. Sie drehte Lis um, sodass sie ihr direkt ins Gesicht schauen konnte. »Hör zu, Lizika. Ich will dich nicht anlügen. Die Wahrheit ist, ich weiß es nicht. Und ich bin sicher, dein Vater weiß es auch nicht. Er und ich… wir verstehen uns nicht mehr so gut. Aber was auch passiert, wir bleiben immer…«
    »Also doch!« Lis spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. »Das ist wirklich toll, dass wir es als Allerletzte erfahren. Deshalb wollte Papa nicht, dass wir die Ferien über bei ihm in München bleiben.«
    »Lis, es ist noch gar nichts entschieden. Wir brauchen eine Pause und deshalb bin ich hier und er ist in München.«
    Lis riss ihr das Handtuch aus der Hand und ging in das Dachzimmer, in dem Levin wieder vor seinem Laptop saß und ein Computerspiel spielte. In der Ecke des Zimmers lehnte sein Hohepriesterstab, den er normalerweise nur auf seine Cons mitnahm. Er beachtete sie nicht, als sie sich auf das Bett fallen ließ und auf den Wecker starrte, der von Sekunde zu Sekunde weitertickte.
     
    Beim Frühstück rief ihr Vater aus München an. Lis beobachtete, wie ihre Mutter vom Tisch aufstand und dabei ihr Messer auf den Teller fallen ließ. Tante Vida und Onkel Miran zuckten bei dem lauten Klirren zusammen und warfen sich einen viel sagenden Blick zu, um daraufhin das Gespräch, das sie begonnen hatten, fortzuführen.
    »Bojan fährt um zehn nach Portorož, wollt ihr mitfahren?«, fragte Onkel Miran und griff nach der Butter.
    »Nein danke«, sagten Lis und Levin wie aus einem Mund. Sascha kicherte.
    »Was macht er in Portorož?«, fragte Tante Vida. »Mir hat er gestern gesagt, dass er seinen freien Tag dazu nutzen will, sein Motorrad zu reparieren.«
    Onkel Miran zuckte die Schultern. »Wenn ich sage, er fährt nach Portorož, dann fährt er«, brummelte er. »Solange er noch bei mir wohnt und isst, hat er keinen freien Tag, so einfach ist das.«
    Tante Vida kniff die Lippen zusammen und schwieg.
    Obwohl Lis ihren Cousin nicht leiden konnte, tat er ihr manchmal Leid. »Levin und ich gehen heute mal ins Museum«, sagte sie in die Stille. Levin verschluckte sich.
    Tante Vida zog die Augenbrauen hoch. »Wirklich?«
    »Baden kann man heute nicht bei dem Regen und Mama hat erzählt, dass im Museum Galionsfiguren und Schiffsmodelle ausgestellt sind.«
    »Ja, das stimmt, aber seit wann interessiert euch das? Vor allem dich bekommen doch keine zehn Pferde in ein Museum, Lis. Was ist auf einmal los? Hast du einen Freund?«
    Typisch, dachte Lis. Wehe, jemand benimmt sich nur ein bisschen anders als sonst, schon ist die Familie in Aufruhr. Und für Tante Vida hatte jede noch so kleine Abweichung immer sofort etwas mit romantischen Verwicklungen zu tun. Nein, Lis hatte keinen Freund, ganz bestimmt nicht. Und ja, es stimmte, sie mochte Museen nicht, weil sie sich in diesen Grabstätten der Vergangenheit immer so fühlte, als würde ihr gleich ein Geist ins Genick pusten. »Levin interessiert es«, sagte sie betont sachlich und stieß ihren Bruder unter dem Tisch an.
    »Genau«, stimmte ihr Levin mit einem bewundernswerten Pokerface zu.
    »Schade, dass das Wetter so schlecht ist, ihr habt euch sicher einen schöneren Urlaub vorgestellt«, bemerkte Tante Vida.
    »In jeder Beziehung«, sagte Lis und ignorierte den neugierigen Blick, den ihre Tante ihr zuwarf. Sie wusste, dass sie ihr Leid tat, und es ärgerte sie. Sie hatte es satt, von allen wie ein Kind behandelt zu werden.
    »Im Freilichtkino haben sie in dieser Woche ein neues Programm«, sagte Onkel Miran. »Oder vielleicht fahren wir morgen nach Postojna in die Tropfsteinhöhle.«
    »Klar, gerne«, sagte Lis und stand auf.
    Levin schob sich die halbe Scheibe Brot, die er eben mit Mortadella belegt hatte, komplett in den Mund und folgte ihr auf den Flur. »Wieso denn Museum?«, fragte er mit vollem Mund. »Wenn du meinst, ich gebe das Medaillon raus, dann irrst du dich!«, fuhr er dann mit leiserer Stimme fort.
    »Keine Sorge, ich nehme dir deinen Schatz schon nicht weg!«, zischte Lis und zog sich eine Jacke über. »Aber mitnehmen müssen wir das Medaillon. Ich will wissen, was die
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