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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope
Autoren: Henning Mankell
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Füßen aufgehängt hatte und mit einem Holzstock auf ihn einschlug.
    Dann tranken sie.
    - Ich habe vor, meinen Lebensunterhalt mit Straußen zu
    verdienen, sagte der Passagier, der jetzt langsam seinen Namen wiederkehren fühlte. Er war dabei, wieder Hans Bengler aus Hovmantorp zu werden.

    Wackman betrachtete ihn lange, bevor er antwortete.
    - Na schön, Sie Narr, sagte er schließlich. Sie wollen Strauße jagen und die Federn für Damenhüte exportieren. Das wird sich kaum lohnen. Die Federn sind verfault, bevor das Schiff auch nur den Hafen verlassen hat.

    Damit war das Gespräch beendet. Wackman ließ jedoch eine resignierte Freundlichkeit erkennen und versprach Hilfe bei der Beschaffung von Ochsen und einem Wagen sowie beim Anheuern einiger Ochsentreiber. Aber dann müsse er sehen, wie er allein zurechtkäme. Außerdem meinte Wackman, er täte gut daran, ein Testament zu hinterlegen. Falls es etwas zu erben gäbe. Oder wenigstens die Adresse eines Angehörigen, der erfahren sollte, daß die Gebeine des Verwandten jetzt an unbekanntem Ort in einer endlosen Wüste ruhten.

    Sie sprachen weiter dem Gin zu. Er dachte an den milden Portwein, den er mit Matilda getrunken hatte. Diese Welt erschien ihm jetzt wie eine rätselhafte Luftspiegelung. Der rauhe Gin brannte in seinem Hals. Und Wackman erzählte stöhnend, als könnte er jeden Moment den Geist aufgeben, die merkwürdige Geschichte, wie er, aus Glasgow gebürtig, nach Kapstadt geraten war und hier nun als Bordellbesitzer lebte und außerdem die schwedisch-norwegische Union repräsentierte.
    Seine Geschichte handelte von Bären und eine r Lithographie, die er einmal als Jugendlicher in Glasgow im Schaufenster einer Buchhandlung gesehen hatte. »Bärenjagd im Schwedischen Wermland«. Dieses Bild hatte ihn nicht mehr losgelassen. Mit ungefähr zwanzig Jahren hatte er seine Pilgerfahrt unternommen und war mitten in einem furchtbaren Winter nach Karlstad gekommen. Mehrmals wäre er beinahe an dem Grauen gestorben, das die Kälte in ihm hervorrief, nicht an der Kälte selbst. Einen lebenden Bären hatte er nie zu Gesicht bekommen, obgleich er sich mehr als zwei Monate in dieser entsetzlichen Kälte aufhielt. Wohl aber ein Bärenfell, bei einem pensionierten Artilleriehauptmann, der am Marktplatz von Karlstad wohnte. Danach hatte er Schweden Hals über Kopf verlassen und war auf sonderbaren Wegen nach Kapstadt gelangt, wo er sich für den Anblick des Bärenfells dankbar erweisen wollte, indem er es auf sich nahm, der Konsul dieses Landes und der Union zu sein.

    Am späten Nachmittag waren beide Männer sturzbetrunken. Wackman ließ seinen Wagen vorfahren, und gemeinsam rollten sie die steile Straße hinab und machten vor dem flachen Zementgebäude halt, in dem er sein Bordell betrieb. In den niedrigen Räumen, in denen es stark nach unbekannten Gewürzen roch, schälten sich halbnackte schwarze Frauen aus dem Dunkel. Wackman verschwand, und plötzlich bemerkte Bengler, daß sich schwarze Schlangen um ihn ringelten: Frauenarme, Beine, Füße, Bäuche, und er trieb im Ginnebel dahin und wußte nicht, ob es Robertsons Schoner war, der langsam zum Meeresboden sank, oder das Schiff, das er in sich trug.

    Am nächsten Tag wurde er in einem Zimmer auf dem Fußboden wach, neben seinem Kopf ein einsamer Schleier. Als er mühsam auf die Beine gekommen war, bemerkte er eine blaue Spinne, die in der Ecke zwischen zwei Wänden gerade ihr kunstvolles Netz webte. Er besann sich auf seinen Auftrag, ging durch das Bordell, in dem jetzt alle zu schlafen schienen, und fand Wackman vornüber auf einem altertümlichen Schaukelstuhl liegend. Obwohl sich der Konsul im Tiefschlaf befand, hatte er ihn offenbar erwartet. Als Bengler hinter ihm stand, fuhr er hoch.
    - Ich benötige neun Tage, sagte er. Und alles an Bargeld oder Goldsand, was Sie in diesem Beutel haben, der Ihr Hemd ausbeult, das übrigens schmutzig ist und gewaschen gehört. Neun Tage, nicht mehr. Dann können Sie aufbrechen. Und ich werde Sie nicht wiedersehen. Aber einen Rat will ich Ihnen geben. Einen Rat für die Zukunft.
    - Welchen?
    - Das Pianoforte.

    - Das Pianoforte?
    - Ist in England groß in Mode. Wird sich über den Kontinent verbreiten. Die jungen Mamsellen spielen Piano. Schwarze und weiße Tasten. Für diese Pianos braucht man Tasten. Und für die Tasten braucht man Elfenbein.

    Bengler begriff. Wackman meinte, er sollte sich der Elefantenjagd widmen.

    - Ich bin wegen der kleinen Tiere hergekommen, erwiderte
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