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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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welche die jeweilige Technologie
zustande bringt. Kurz, statt einer Rekonstruktion gibt man die
bisherige. Lösung völlig auf und projektiert eine
gänzlich neue.
    Dieser letztere Ausweg aus dem Dilemma erscheint
uns heute derart absurd und unannehmbar, daß es sich lohnt, die
Argumente zu hören, die sein Verfechter vortragen könnte.
    Zunächst, erklärt er, ist der Weg der
»prophylaktischprothetischen« Lösungen notwendig und
unausweichlich; der beste Beweis dafür ist, daß die Menschen
ihn schon beschritten haben. Es gibt bereits Prothesen, die zeitweise
das Herz, die Lungen, den Kehlkopf ersetzen, es gibt synthetische
Blutgefäße, künstliche Därme, synthetische
Knochen, Rippenfellersatz und künstliche Gelenkoberflächen
aus Teflon. Man plant Handprothesen, die unmittelbar durch die
Bioströme der Muskelstümpfe des Schultergürtels bewegt
werden. Man denkt an einen Apparat, der die Nervenimpulse aufzeichnet,
die beim Gehen die Gliedmaßen in Bewegung setzen; ein durch eine
Rückenmarksschädigung gelähmter Mensch wird dank eines
Apparats, den er beliebig einstellen kann und der die entsprechenden,
bei einem gesunden Menschen »aufgezeichneten« Impulse in
die Beine schickt, gehen können. Zugleich Wachsen die
Ariwendungsmöglichkeiten der Transplantation; nach der Hornhaut,
nach Knochenteilen, nach dem bluterzeugenden Mark sind jetzt
lebenswichtige Organe an der Reihe. Fachleute behaupten, die
Lungentransplantationen lassen nicht mehr lange auf sich warten. Wenn
die biochemische Abwehr des Organismus gegen artfremde Eiweiße
überwunden ist, kann man Hetzen, Mägen u. dgl. verpflanzen.
Ob man dazu Transplantate oder Ersatzorgane aus abiologischer Substanz
verwendet, hängt jeweils vom aktuellen Erkenntnisstand und von der
Höhe der Technologie ab. Einige Organe werden wohl leichter durch
mechanische zu ersetzen sein, bei anderen wird man dagegen abwarten
müssen, bis erfolgreiche Verpflanzungstechniken entwickelt sind.
Das Wesentliche ist jedoch, daß nicht nur die Bedürfnisse
des menschlichen Organismus, sondern zugleich auch die Bedürfnisse
der neuen Technologien die weitere Entwicklung der biologischen und
abiologischen Prothetik bestimmt werden.
    Aufgrund der Untersuchungen amerikanischer Forscher
wissen wir heute schon, daß man die Kraft der Muskelkontraktionen
bedeutend verstärken kann, indem man zwischen Nerv und Muskel
einen elektronischen Impulsverstärker einsetzt. Das Modell eines
solchen Apparats entnimmt die an den Muskel adressierten nervösen
Reize der Haut, verstärkt sie und leitet sie den entsprechenden
Effektoren zu. Unabhängig davon haben russische Wissenschaftler,
die sich mit der Bionik, der Wissenschaft von den Effektoren und
Rezeptoren lebender Organismen, befassen, einen Apparat konstruiert,
der die Reaktionszeit des Menschen erheblich abkürzt. Für das
Steuerpult kosmischer Raketen oder auch nur von
Überschallflugzeugen ist diese Zeit allzu lang. Die nervösen
Impulse wandern mit einer Geschwindigkeit von kaum hundert Metern in
der Sekunde, müssen aber vom Sinnesorgan (z. B. dem Auge) zum
Gehirn und von dort über die Nerven zu den Muskeln (Effektoren)
gelangen, was einige Zehntelsekunden in Anspruch nimmt. Die Bioniker
nun fangen die aus dem Gehirn tretenden und über die Nerven
wandernden Impulse auf und leiten sie unmittelbar einem mechanischen
Effektor zu. Deshalb genügt es, daß der Pilot die Absicht hat, die Steuerung zu betätigen, und schon verstellt sich das Steuer.
Mit der umfassenden Vervollkommnung derartiger Techniken entsteht eine
paradoxe Situation. Ein Mensch, der infolge eines Unglücksfalles
oder einer Krankheit verstümmelt wurde, wird mit seiner Prothese
einem normalen Menschen weit überlegen sein. Man wird ja nicht
umhinkönnen, ihn mit der besten aller vorhandenen Prothesen
auszustatten, und die vorhandenen werden Schneller, wirksamer und
sicherer funktionieren als die natürlichen Organe!
    Was die vorgeschlagene Autoevolution betrifft, so
soll sie sich auf solche Umgestaltungen des Organismus
beschränken, die noch innerhalb der Grenzen der biologischen
Plastizität liegen. Diese Beschränkung ist jedoch nicht
notwendig. Freilich ist es dem Organismus nicht möglich, infolge
einer Programmierung der genotypischen Erbinformation Diamanten oder
Stahl hervorzubringen, denn dazu sind hohe Temperaturund
Druckverhältnisse erforderlich, die in der Embryogenese, nicht zu
realisieren sind. Allerdings kann man jetzt bereits Prothesen
herstellen, die für
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