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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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entwickeln sich
»hedonistische Techniken« (u. a. die Phantomatik). Am Ende
dieser Entwicklung steht eine kosmogonische Ingenieurkunst, die
Erschaffung künstlicher Welten, die allerdings von der Natur so
weit entfremdet und unabhängig geworden sind, daß sie die
natürliche Welt in jeder Hinsicht ersetzen. Wenn aber das
»Künstliche« das »Natürliche«
hinsichtlich beliebig gewählter Parameter, auf die es dem
Konstrukteur ankommt, zu übertreffen vermag verwischt sich der
Unterschied zwischen dem »Künstlichen« und dem
»Natürlichen«.
    So stellt sich die erste Phase der technologischen
Evolution des Menschen dar. Sie bedeutet nicht das Ende der
Entwicklung. Die Geschichte der Zivilisation – mit ihrem
anthropoidalen Prolog und den von uns aufgezeigten möglichen
Fortsetzungen – ist ein insgesamt tausend bis dreitausend
Jahrhunderte währender Prozeß, in dem der Bereich der
Homöostase sich erweitert, anders gesagt: in dem der Mensch seine
Umwelt verändert. Doch die Fähigkeit, mit technologischen
Mitteln den Mikro- und Makrokosmos zu durchdringen – bis hin zu
jener fernen, allgedeuteten Möglichkeit der
»Pantokreatik« –, erstreckt sich nicht auf den
menschlichen Organismus selber. Der Mensch bleibt das letzte Relikt,
das letzte »authentische Werk der Natur« innerhalb der von
ihm geschaffenen Welt. Ein solcher Zustand kann nicht beliebig lange
andauern. Die Invasion der vom Menschen geschaffenen Technologie in
seinen Körper ist unvermeidlich.
Rekonstruktion der Gattung
    Dieses Phänomen, das den Inhalt der zweiten
Phase der Zivilisationsentwicklung bilden wird, kann man
unterschiedlich auffassen und interpretieren. Auch kann es innerhalb
gewisser Grenzen unterschiedliche. Ausprägungen und Richtungen
annehmen. Da wir nun für unsere weiteren Überlegungen
irgendein Schema brauchen, werden wir uns des einfachsten bedienen,
ohne dabei zu vergessen, daß es sich um ein Schema, also eine
Vereinfachung handelt.
    Man kann es erstens den menschlichen Organismus als
gegeben und in seiner allgemeinen Konstruktion unantastbar hinnehmen.
Die Aufgaben der Biotechnologie bestehen dann in der Beseitigung und
Prophylaxe von Krankheiten sowie in der Ersetzung ausfallender
Funktionen oder defekter Organe entweder durch biologische
(Transplantationen, Gewebeverpflanzungen) oder durch technische
Substitute (Prothetik). Dies ist die traditionellste und kurzsichtigste
Auffassung.
    Zweitens kann man – in Ergänzung des
zuvor Genannten und ihm gewissermaßen übergeordnet –
die Evolutionsgradienten der Natur ersetzen. Eine solche Regelung kann
unterschiedliche Ziele verfolgen. Man kann es zum Beispiel für das
Wichtigste halten, all jene schädlichen Folgen zu eliminieren, die
dadurch entstehen, daß es in der künstlichen
Zivilisationsumwelt an jener natürlichen Auslese fehlt, die sonst
die schlechter Angepaßten vernichtet. Oder man verfolgt anstelle
jenes bescheidenen Programms das Maximalprogramm einer biologischen
Autoevolution, die nach und nach immer vollkommenere Menschentypen
hervorbringen soll (durch wesentliche Änderungen solcher erblicher
Parameter wie zum Beispiel der Mutabilität, der Anfälligkeit
für Geschwulstbildungen, der Körperformen, der inner- und
zwischengeweblichen Korrelationen, schließlich durch
Veränderung der Parameter der Lebensdauer und vielleicht auch des
Umfangs und der Komplexität des Gehirns). Das wäre, mit einem
Wort, der zeitlich auf Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende verteilte
Plan, »das nächste Modell des homo sapiens« zu schaffen, nicht in einem Sprung, sondern durch langsame und
graduelle Veränderung, wodurch die Unterschiede zwischen den
Generationen vermindert würden.
    Drittens schließlich kann man das ganze
Problem auf sehr viel radikalere Weise anfassen. Man kann nämlich
sowohl die konstruktive Lösung, welche die Natur der Aufgabe
»Wie soll das vernunftbegabte Wesen beschaffen sein?«
gegeben hat, als auch eine Lösung, zu der man mit den von ihr
übernommenen autoevolutiven Mitteln gelangen könnte, für
unzureichend halten. Statt das vorliegende Modell hinsichtlich dieser
oder jener Parameter zu verbessern bzw. »auszuflicken«,
kann man für sie willkürlich neue Werte festlegen. Statt
einer relativ bescheidenen biologischen Lebensdauer
BeinaheUnsterblichkeit verlangen; statt die von der Natur gegebene
Konstruktion innerhalb der Grenzen, die das von ihr benutzte Material
überhaupt zuläßt, zu verstärken, die
größte Haltbarkeit fordern,
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