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Die Reise ins Licht

Die Reise ins Licht

Titel: Die Reise ins Licht
Autoren: Andrej Djakow
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des Moskowski-Prospekts. Über Piter Ref. 5 brach ein neuer Morgen an …
     
     
    »Was ist, Waisenjunge. Kommst du nicht mit, die Stalker zu begrüßen?«
    Das schmale Bürschchen von etwa zwölf Jahren mit dem ungleichmäßigen Igelschnitt schaute den davonlaufenden Jungs nach. Dann stürzte auch er los, als wäre er gerade zu sich gekommen, und rannte ihnen hinterher. Nein, er war nicht beleidigt. Eine Waise war jemand, der keine Eltern hatte. Aber er hatte ja Eltern. Und was für welche! Nur, dass die jetzt im Paradies waren. Früher hatte ihm Papa oft vorm Einschlafen vom Paradies erzählt. Dort gab es frische Luft, viel Grün und sauberes Wasser, und der Himmel war blau. Oft hatte sich Gleb seine Heimatstation, die Moskowskaja , vorgestellt, voller Kartoffelstauden und Wasserkübel, und statt kohlenschwarzem Ruß war an der Decke ganz, ganz viel himmelblaue Farbe.
    Bei den anderen Kindern angekommen, zwängte Gleb sich durch die Menge nach vorn und blieb neben Hinkebein Nata stehen, dem Nachbarmädchen vom dritten Zelt.
    »Schau, Gleb, sie kommen!« Das Mädchen stützte sich in alter Gewohnheit auf die fürsorglich dargebotene Schulter ihres Spielgefährten und entspannte ihr verkümmertes Bein.
    Da vorn passierte etwas furchtbar Faszinierendes und zugleich Unheimliches. Aus der grob zusammengeschusterten Blechbox, die die Funktion einer Schleusenkammer erfüllte, stießen kleine Dampfstrahlen hervor. Für dieses Schauspiel gab es einen schönen geheimnisvollen Namen: »Desinfektion«. Schließlich öffnete sich die Tür mit einem unangenehmen Rasseln. Onkel Saweli kam herein, schob den Desinfektionsschlauch zurück und trat zur Seite. In der Türöffnung erschien die massige Gestalt eines Stalkers. Riesige Stiefel, ein Patronengürtel von imponierender Größe, der sich über den ganzen Oberkörper zog, und ebenso riesige Hände. Im Schatten der Kapuze war das Gesicht praktisch nicht zu erkennen …
    Gleb betrachtete den Unbekannten neugierig von oben bis unten. Als dieser seine Kapuze abnahm, ging ein Raunen durch die Reihen der Halbwüchsigen. Der Gast war keineswegs ein Scheusal, sein grobes, stoppelbärtiges Gesicht hatte keine Narben, aber im Blick des Stalkers lag etwas kaum Fassbares, das in den Umstehenden Unbehagen auslöste. So ähnlich wie das Gefühl, wenn man im Dunkeln nach einer ausgeschalteten Lampe tastet und plötzlich etwas Glitschiges spürt, das sich bewegt und im nächsten Augenblick nach deiner ausgestreckten Hand schnappen wird. Von diesem Stalker ging eine unbeugsame Kraft aus. Und doch lag in seinem schweren Gang etwas Schicksalsergebenes. Wie die Schritte eines Greises, der des Lebens müde war.

    Die Menge trat zur Seite und ließ die Ankömmlinge durch. Als der Stalker an Gleb vorbeiging, durchfuhr diesen ein Schauer. Es gruselte ihn, und zugleich empfand er eine unheimliche Faszination. Gleb drängte sich seitlich an den auf dem Bahnsteig herumlungernden Gaffern vorbei und suchte sich einen Platz in der Nähe der zentralen Feuerstelle, um das ganze Gespräch mitzubekommen.
    »Sei gegrüßt, Taran. Komm her und setz dich ans Feuer.« Ein grauhaariger, energischer Greis machte sich an einem kleinen Kessel zu schaffen und füllte eine großzügige Portion Suppe in einen Napf. »Das Süppchen ist heute vorzüglich! Hier, guter Mann, koste. Was immer du wünschst …«
    Der finstere Mann legte das eingehüllte Gewehr neben sich, setzte sich auf eine Zinkkiste und nahm aus der Hand des Alten den Napf mit der dampfenden, dicken Suppe entgegen. Er öffnete eine seiner Westentaschen, holte einen kompakten Geigerzähler heraus und hielt ihn an die Suppe.
    Der Greis machte eine Miene, als wäre man ihm mit einer Rasierklinge übers Gesicht gefahren. Aber er schwieg und setzte ein verkrampftes Lächeln auf.
    »Iss nur, Taran, keine Angst. Das ist alles natürlich und stammt von hier. Die Pilze, die Kartoffeln – alles frisch geerntet! «
    Aus der Dämmerung der Station tauchte nun noch ein weiterer Bewohner auf. Er trug ausgetretene Filzstiefel und eine abgetragene Steppjacke, die schon viel erlebt hatte. Er setzte sich in den Kreis und begann munter: »Sachar und seine Truppe weiden das Vögelchen bereits aus. Du schießt verdammt gut, Bruder. Hast den Bastard mit einem Schuss erlegt.«

    Der kleine Mann – er hieß Karpat – bemerkte den schweren Blick des Stalkers und wechselte schnell das Thema.
    »Die Galle verkaufen wir an die ›Stummel‹«, berichtete er begeistert. Die
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