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Die Rache ist Dein

Die Rache ist Dein

Titel: Die Rache ist Dein
Autoren: Faye Kellerman
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weglaufen. Aber ihr Schuh blieb hängen, sie stolperte, fiel zu Boden. Verdammt!
    Im Fallen dachte sie: Fang den Fall mit der Hüfte ab, schütz Tara mit deinem Körper, dann tritt um dich ... Sie drehte sich, landete auf Hüfte und Schulter, schrammte sich die Wange auf. Sofort rollte sie sich über Tara. Sie fand ihre Stimme wieder, stieß einen Schrei aus, der jedem Horrorfilm Ehre gemacht hätte.
    Eine tiefe Männerstimme rief: »Was ist denn da drüben los?« Obwohl sie nichts sehen konnte, hatte Farin das Gefühl, daß die Stimme zu dem Mann mit dem Pitbull gehörte. Es knallte mehrmals. O Gott, dachte sie, er schießt auf mich!
    Farin machte sich auf das Schlimmste gefaßt — das Stechen, den Schmerz, das Zusammenkrümmen oder was sonst kam ... auf sie war noch nie geschossen worden. Aber nichts durchdrang ihren Körper.
    Das Knallen kam vom Motor ihres Wagens. Sekunden später fuhr der Volvo mit kreischenden Reifen los. Einer der Hinterreifen rollte über Farins linken Fuß und Knöchel. Jetzt kam der Schmerz! Er durchflutete ihren Kopf und ließ sie aufschluchzen. Laut, aber Taras durchdringende Schreie waren noch lauter.
    O Gott! Mein Kind ist verletzt! »Hilfe!« rief sie. »Warum hilft mir denn keiner?« Fuß und Knöchel waren gequetscht, ihr ganzer Unterkörper brannte vor Schmerz, besonders Beine und Hüften. Farin hob sich der Magen, das Gesicht fühlte sich an, als sei ein Bienenschwarm über sie hergefallen. Sie konnte kaum atmen, meinte, einen Herzanfall zu haben. Wenigstens konnte sie die Zehen ihres rechten Fußes bewegen, gelähmt war sie also nicht.
    Während sie gequält stöhnte und schluchzte, sah sie den Mann mit dem braunen Pitbull auf sich zurennen. Er brüllte nach Hilfe, das konnte Farin hören. Der Pitbull bellte wie wild, bedrohlich, zerrte an der Leine. Plötzlich riß er sich los, kam in vollem Galopp auf sie zu! Setzte zum Sprung an! Flog durch die Luft!
    Auch das noch! Er würde sie zerfleischen!
    Der Hund war nur noch Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. Sie fiel in Ohnmacht, als der Pitbull ihr das tränenüberströmte Gesicht ableckte.
    Der Ehemann war stocksauer, wollte Decker mit bösen Blicken vertreiben. Kein Wunder. Decker, mit seinen 25 Jahren Berufserfahrung, nahm es auch nicht persönlich. Das gehörte eben zum Job. »Sehen Sie sich meine Frau an!« rief der Mann. »Sie hat Schmerzen ...«
    »Mir geht es gut, Jason ... «
    »Nein, es geht dir nicht gut!« unterbrach Jason. »Du bist völlig erledigt. Das war doch die Hölle für euch!« Er wurde rot vor Wut. Plötzlich zitterte seine Unterlippe. »Du mußt dich ausruhen, Farin.« Er war dem Zusammenbruch nahe. Decker verstand das Gefühl nur allzu gut, diese Hilflosigkeit, die das Gehirn vernebelt und einen rasend macht. Männer mußten ihre Familie beschützen. Wenn ihnen das nicht gelang, überrollten sie Schuldgefühle wie eine Flutwelle. Ehrlich gesagt, sah Farin Henley grauenhaft aus. Die Frau hatte tiefe Schürfwunden an der linken Wange, vermutlich am ganzen Körper. Ihr linkes Bein war bis zur Hüfte eingegipst. Das Bein war zwar nicht gebrochen, wie der Arzt Decker versichert hatte, aber der Knöchel hatte Mehrfachfrakturen. Je weniger sie das Bein bewegte, desto besser würde der Knöchel heilen.
    Trotz der Wunden und Kratzer sah Decker, daß Farin eine hübsche Frau war. Ein rundes, mädchenhaftes Gesicht, eingerahmt von kurzem, honigblondem Haar. Große blaue Augen, die jetzt rot gerändert waren. Decker schätzte sie auf Ende zwanzig. Ehemann Jason war vermutlich im selben Alter. Helle Haut, dunkelbraune Augen. Kräftiges braunes, geföhntes Haar. Seine schwarzen Augenbrauen bildeten perfekte Bögen. Weiße, schimmernde Zähne, obwohl er bisher noch nicht gelächelt hatte. Er war mittelgroß, aber gut gebaut. Jason hielt sich fit.
    Statt direkt vorzugehen, entschied sich Decker für einen Umweg. Er schaute in das Kinderbett, das neben Farins Krankenhausbett stand, betrachtete das schlafende Kind. Taras Porzellanhaut war voller Kratzer, aber die Wunden schienen nur oberflächlich zu sein. Das Baby nuckelte im Schlaf am Daumen.
    »Wie alt ist sie?« fragte Decker. »Etwa achtzehn Monate?« Farin wischte sich die Tränen ab. »Stimmt.«
    Jason blieb feindselig. »Was soll das? Wollen Sie sich anbiedernd? Wie rührend!«
    »Jason!« wies ihn Farin zurecht.
    »Werden Sie das Monster fassen?« Jason verdrehte die Augen. »Vermutlich nicht. Sie haben keine Ahnung ... «
    »Doch, die haben wir.« Schweigen.
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