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Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)

Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)

Titel: Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)
Autoren: Holly Black
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einfach auf, dann kommen sie schon wieder zum Vorschein.«
    »Nein, Mom, sie sind weg. « Als Zach zu seinem Vater hinüberschaute, entdeckte er bei ihm einen Gesichtsausdruck, den er nicht recht deuten konnte.
    Seine Mutter folgte Zachs Blick und wandte sich mit sehr ruhiger Stimme an seinen Vater. »Liam?«
    »Er ist zwölf Jahre alt und spielt mit so einem Müll«, sagte der, stand auf und hob beschwichtigend die Hände. »Er muss langsam erwachsen werden. Es war höchste Zeit, sich von den Figuren zu trennen. Der Junge sollte sich auf seine Freunde konzentrieren, Musik hören und abhängen. Glaub mir, Zach, du wirst sie nicht vermissen.«
    » Wo sind sie?«, fragte Zach, einen gefährlichen Unterton in der Stimme.
    »Weg, vergiss es«, antwortete sein Vater. »Kein Grund, so einen Aufstand zu machen.«
    »Die Figuren gehören mir !« Zach war so wütend, dass er nicht mehr klar denken konnte. Seine Stimme bebte vor Zorn. »Sie gehören mir!«
    »Irgendwer muss dich auf das wirkliche Leben vorbereiten«, entgegnete sein Vater und lief langsam rot an. »Du kannst dich noch so sehr aufregen, die Sache ist erledigt. Vorbei. Hast du verstanden? Höchste Zeit, erwachsen zu werden. Ende der Diskussion.«
    »Was hast du dir dabei gedacht, Liam?«, fragte Zachs Mutter. »Du kannst so etwas nicht einfach entscheiden, ohne mit ihm zu reden … «
    »Wo sind sie?«, schnaubte Zach. Er hatte noch nie so mit seinem Vater geredet oder mit einem anderen Erwachsenen. »Was hast du damit gemacht?«
    »Oh, jetzt mach nicht so ein Drama«, sagte sein Vater.
    »Liam!«, sagte seine Mutter warnend.
    » GIB SIE HER !«, rief Zach. Er hatte sich nicht mehr im Griff, aber das war ihm völlig egal.
    Sein Vater schwieg einen Moment und wirkte verunsichert. »Ich hab sie weggeworfen. Es tut mir leid. Ich hätte nicht gedacht, dass du dich so aufregst. Das sind doch nur Plastik–«
    »In den Mülleimer?« Zachary rannte nach draußen, die Treppe herunter und über den Rasen. Am Bordstein standen zwei verbeulte Mülltonnen. Mit tauben Fingern hob er den Deckel und warf ihn scheppernd auf die Straße.
    Bitte , dachte er. Bittebittebitte.
    Doch die Tonne war leer.
    Die Müllabfuhr war bereits dagewesen und hatte sie geleert.
    Es war wie ein Schlag in den Magen. Säbel-William und Max Hunter und alle anderen waren tot. Ohne sie war auch in den Geschichten kein Leben mehr. Er wischte sich mit dem Ärmel über sein Gesicht.
    Als Zach zum Haus zurückging, sah er den Umriss seines Vaters in der Tür.
    »Hey, es tut mir leid«, sagte er.
    »Mach dir nicht die Mühe, weiterhin meinen Vater zu spielen«, sagte Zach, ging die Eingangsstufen hoch und an ihm vorbei. »Dafür ist es zu spät. Es war schon vor Jahren zu spät.«
    »Zachary«, sagte seine Mutter und streckte die Hand aus, um seine Schulter zu fassen, doch er ging auch an ihr vorbei.
    Sein Vater starrte ihn zutiefst verletzt an.
    In seinem Zimmer starrte Zachary zur Decke und versuchte sich zu beruhigen.
    Er machte an diesem Tag keine Hausaufgaben mehr. Er verweigerte das Abendessen, obwohl seine Mutter ihm einen Teller mit Spaghetti hochbrachte und auf seinen Schreibtisch stellte. Er zog seine Sachen nicht aus, den Schlafanzug nicht an. Er weinte nicht mal mehr.
    Zachary wälzte sich herum und konzentrierte sich auf die Schatten, die über die Zimmerdecke huschten, und auf die Wut, die immer schlimmer wurde statt nachzulassen. Er war außer sich. Wütend auf seinen Vater, weil der das Spiel zerstört hatte. Auf seine Mutter, weil sie seinen Vater wieder in ihr Leben gelassen hatte. Auf Poppy und Alice, die nichts verloren hatten. Und auf sich selbst, weil er sich wie ein kleines Kind benahm, genau wie sein Vater es gesagt hatte, und weil Säbel-William und ein Haufen Plastikfiguren ihm so wichtig waren wie lebendige Menschen.
    Dieser Zorn ballte sich in seinem Bauch zu einem Klumpen und kroch seinen Hals hoch, bis er glaubte, daran zu ersticken. Da wusste er, dass er niemandem je davon erzählen konnte, ohne seine Wut aus sich herausbrechen und alles niederreißen zu lassen.
    Doch wenn er es niemandem erzählen konnte, musste er dem Spiel ein Ende bereiten.

Drittes Kapitel
    Am nächsten Morgen schob Zach sein matschig gewordenes Müsli in der Milchschale im Kreis, während seine Mutter sich eine zweite Tasse Kaffee einschenkte. Das Licht, das durch die schmutzige Fensterscheibe fiel, ließ auf dem vernarbten Holz des Tisches die blassen Abdrücke nasser Becher und einen grünen Streifen
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