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Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)

Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)

Titel: Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)
Autoren: Holly Black
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und sehr weißer Haut. Ihre Augen waren geschlossen, die langen flachsblonden Wimpern ruhten auf den Wangen. Die Puppe trug ein langes Kleid, dessen dünner Stoff schwarz gesprenkelt war, möglicherweise von Schimmel. Zach wusste nicht mehr, wann sie beschlossen hatten, aus ihr die Große Königin zu machen, doch schon zuvor hatten sie immer das Gefühl gehabt, von ihr trotz der geschlossenen Augen beobachtet zu werden. Er wusste auch, dass Poppys Schwester schreckliche Angst vor ihr hatte.
    Angeblich war Poppy eines Tages mitten in der Nacht wach geworden und sah ihre Schwester – mit der sie das Zimmer teilte – aufrecht im Bett sitzen. »Sie will uns holen, aber sie kann die Vitrine nicht öffnen«, hatte ihre Schwester mit ausdrucksloser Miene verkündet. Dann war sie wieder auf ihr Kissen gesunken und hatte sich nicht mehr gerührt, obwohl Poppy mehrfach ihren Namen rief. Poppy dagegen konnte nicht mehr einschlafen und wälzte sich in ihrem Bett hin und her. Ihre Schwester konnte sich am nächsten Morgen an nichts mehr erinnern und meinte, es müsse ein Albtraum gewesen sein und ihre Mutter solle die Puppe endlich wegschmeißen.
    Danach hatten Zach, Poppy und Alice die Puppe in ihr Spiel eingebaut, das machte sie etwas weniger gruselig.
    In der Geschichte, die sie sich ausgedacht hatten, herrschte die Königin in ihrem prachtvollen gläsernen Turm über alles, so weit das Auge reichte. Sie hatte die Macht, jeden mit einem Fluch zu belegen, der ihr den Gehorsam verweigerte. Dieser wirkte, bis man ihre Gunst zurückerobert hatte. Man wurde für Verbrechen verurteilt, die man nicht begangen hatte. Freunde und Verwandte erkrankten und wurden dahingerafft. Schiffe sanken und Stürme verheerten das Land. Es gab nur eines, das die Königin nicht vermochte: Sie konnte nicht entkommen.
    »Bist du in Ordnung?«, fragte Zach Alice. Sie sah aus, als hätte die Vitrine sie hypnotisiert, und starrte durch das Glas, als wäre dort etwas, das nur sie sehen konnte.
    Endlich drehte sie sich mit glänzenden Augen zu Zach um. »Meine Großmutter will wissen, wo ich jede einzelne Sekunde des Tages verbringe. Sie bestimmt meine Kleidung und meckert ständig über meine Zöpfe. Ich habe es so satt. Und ich weiß immer noch nicht, ob sie mich dieses Jahr in dem Theaterstück mitspielen lässt, und das, obwohl ich eine wirklich gute Rolle bekommen habe. Sie fährt wegen ihrer schlechten Augen nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr Auto, erlaubt aber auch nicht, dass andere Eltern mich nach Hause bringen. Ich ertrag diese ganzen Regeln nicht mehr, und es werden immer mehr, je älter ich werde.«
    Zach wusste all das, neu war, dass Alice dagegen aufbegehrte. »Und was ist mit deiner Tante? Kannst du sie nicht fragen, ob sie dich nach den Proben abholt?«
    »Oma hat Angst, dass Tante Linda es vor Gericht gegen sie verwenden könnte«, schnaubte Alice, »als Beweis dafür, dass sie nicht in der Lage ist, mich großzuziehen. Tante Lindas Versuch, das Sorgerecht für mich zu bekommen, hat sie ihr nie verziehen. Ständig hackt sie darauf herum, obwohl es schon so lange her ist. Seitdem ist sie total paranoid.«
    Mrs Magnaye stammte von den Philippinen und erzählte jedem, ob er es hören wollte oder nicht, wie anders die Sitten dort waren. Ihren Geschichten zufolge arbeiteten philippinische Jugendliche hart, gaben nie Widerworte, bemalten ihre Hände nicht mit Kugelschreiber und wollten erst recht nicht Schauspielerin werden, so wie Alice. Außerdem würden sie sich auf gar keinen Fall unterstehen, so groß zu werden, wie Alice es war.
    » Seitdem? «, fragte Zach.
    Alice lachte. »Ja, okay, dann eben super total paranoid.«
    »Hey.« Poppy kam mit den anderen Figuren von draußen herein. »Bist du wirklich sicher, dass du nicht übernachten darfst, Alice?«
    Alice schüttelte den Kopf, nahm Zach Lady Jaye aus der Hand und ging über den Flur in Poppys Zimmer. »Ich wollte nur meine Sachen holen.«
    Poppy sah Zach fragend an. Sie konnte es nicht leiden, wenn sie etwas verpasst hatte, und konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass ihre Freunde Geheimnisse vor ihr hatten, und seien sie noch so belanglos.
    »Ihre Großmutter«, erklärte er achselzuckend. »Du kennst sie doch.«
    Poppy seufzte und richtete den Blick auf die Vitrine. Es dauerte einen Augenblick, bis sie etwas sagte. »Wenn du diesen Auftrag ausgeführt hast, befreit die Königin William wahrscheinlich von seinem Fluch. Er könnte nach Hause fahren und endlich das Rätsel
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