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Die Prophezeiung des Adlers

Die Prophezeiung des Adlers

Titel: Die Prophezeiung des Adlers
Autoren: Simon Scarrow
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Herr.«
    »Wirklich?« Die dicken Lippen des Piraten verzogen sich zu einem Lächeln. »Welcher ist es?«
    »Dort, Herr. Bei der Achterluke. Der Dicke dort.«
    Der Piratenkapitän blickte sich um, und seine Augen fanden den rundlichen Körper eines kleinen Mannes, der lang ausgestreckt auf dem Deck lag. Jetzt war er noch einen Kopf kleiner. Letzterer war nirgends zu sehen, und Telemachos runzelte kurz die Stirn, bis ihm wieder einfiel, was vorhin direkt nach dem Entern geschehen war. Vor ihm hatte ein Mann, der Kapitän des Handelsschiffs, schreiend kehrtgemacht, um davonzurennen. Die schimmernde Klinge des Falcata war im Bogen durch die Luft gepfiffen, hatte den fleischigen Hals in einer nahezu gleitenden Bewegung durchschnitten, und der Kopf des Kapitäns war hochgesprungen und über Bord gegangen.
    »Ja … ich erinnere mich.« Das Lächeln des Piraten verbreiterte sich zu einem zufriedenen Grinsen. »Wer ist dann also der Erste Offizier?«
    Der Matrose, der bisher gesprochen hatte, wandte sich halb zur Seite und nickte schwach zu einem großen Nubier hinüber, der neben ihm stand.
    »Du?« Der Pirat zeigte mit der Schwertspitze auf ihn.
    Der Nubier warf seinem Schiffskameraden einen vernichtenden Blick der Verachtung zu und nickte dann.
    »Tritt vor.«
    Der Erste Offizier kam widerstrebend nach vorn und blickte den Piraten argwöhnisch an. Telemachos stellte erfreut fest, dass der Nubier den Mut hatte, seinem Blick zu begegnen. Dann gab es unter den Überlebenden also wenigstens einen Mann. Der Pirat zeigte nach hinten auf die Leichen am Fuß des Masts.
    »Diese Männer – die kampfstarken Drecksäcke, die so viele von meinen Leuten umgebracht haben – wer waren sie?
    »Leibwächter, Herr.«
    »Leibwächter?«
    Der Nubier nickte. »Sie sind in Rhodos an Bord gegangen.«
    »Aha. Und wen haben sie bewacht?«
    »Einen Römer, Herr.«
    Telemachos blickte über die Schulter des Nubiers auf die anderen Gefangenen. »Wo ist er?«
    Der Nubier zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, Herr. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit Ihr das Schiff geentert habt. Vielleicht ist er über Bord gegangen, Herr.«
    »Nubier … « Der Kapitän beugte sich vor und sprach in einem eiskalten, drohenden Tonfall. »Ich bin doch nicht von gestern. Zeig mir jetzt sofort diesen Römer, oder ich zeige dir, wie dein Herz aussieht … Wo ist er?«
    »Hier«, rief eine Stimme aus dem Hintergrund des Haufens von Gefangenen. Jemand schob sich vor, ein hochgewachsener, schlanker Mann mit den unverkennbaren Gesichtszügen seines Volks: dunkles Haar, olivbraune Haut und der herablassende Blick, mit dem die Römer typischerweise dem Rest der Welt begegneten. Er trug eine schlichte Tunika und versuchte zweifellos, sich damit als einer der billig reisenden Passagiere auszugeben, die die gesamte Fahrt an Deck verbrachten. Aber der Mann konnte seine Eitelkeit nicht verbergen, und noch immer schmückte ein teurer Ring den kleinen Finger seiner rechten Hand. Der in ein Goldband eingelassene, große Rubin fiel dem Kapitän sofort ins Auge.
    »Du solltest beten, dass der leicht abgeht … «
    Der Römer blickte nach unten. »Der hier? Der ist schon seit Generationen in meiner Familie. Mein Vater hat ihn vor mir getragen, und mein Sohn wird ihn nach mir tragen.«
    »Sei dir da nicht so sicher.« Belustigung zuckte über die zernarbten Züge des Kapitäns. »Und nun, wer bist du? Jeder, der in Begleitung von vier solchen Schränken von Männern reist, muss Einfluss besitzen … und Reichtum.«
    Jetzt war der Römer mit Lächeln an der Reihe. »Mehr, als du dir vorstellen kannst.«
    »Das bezweifle ich. Ich habe eine ziemlich gute Vorstellungskraft, wenn es um Reichtum geht. Jetzt aber, sosehr ich auch die seltene Gelegenheit genieße, mich mit einem kultivierten Mann zu unterhalten, haben wir dazu leider keine Zeit. Es könnte sein, dass einer der Beobachtungsposten in Ravenna unsere kleine seemännische Aktion bemerkt und den Kommandanten der dortigen Marine benachrichtigt hat. So gut meine Schiffe auch sind, bezweifle ich doch, dass sie gegen ein kaiserliches Geschwader ankämen. Also, wer bist du, Römer? Ich frage zum letzten Mal.«
    »Wohlan. Caius Caelius Secundus, zu deinen Diensten.« Er neigte den Kopf.
    »Nun, das ist ein schöner, vornehm klingender Name. Da wird deine Familie wohl auch ein anständiges Lösegeld blechen können?«
    »Natürlich. Nenne einen Preis – einen vernünftigen Preis. Man wird ihn bezahlen, und dann kannst du mich und
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