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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim
Autoren: Mascha Vassena
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traumähnlichen Starre, doch sie blieben ruhig und traten zur Seite, um Julie vorbeizulassen. Sie atmete auf, als sie den Rand des Kirchplatzes erreicht hatten, denn ihr war entsetzlich schwindelig.
    Mir geht es nicht besonders gut. Julie lehnte sich an eine Mauer, ihre Beine drohten nachzugeben, und sie fühlte sich so schwach, dass sie kaum den Kopf heben konnte. Dennoch kletterte sie auf einen Prellstein, um Ausschau nach Fédéric zu halten. Hoffentlich war ihm nichts geschehen!
    Erst jetzt, von ihrem erhöhten Platz aus, konnte sie die Soldaten sehen, die den Platz umstellt hatten und mit aufgepflanzten Bajonetten versuchten, die Flüchtenden aufzuhalten. Das Licht war nicht bis zu ihnen vorgedrungen. Ein Offizier auf einem Pferd brüllte unverständliche Befehle. Julie starrte sein verzerrtes Gesicht an und wusste, was geschehen würde: Die Soldaten würden blindlings in die Menge schießen! Bei dieser Vorstellung überkam sie wieder die Panik und gleich darauf das seltsame Gefühl vollkommener Ruhe inmitten eines Sturms. Sie war ganz bei sich und nahm gleichzeitig alles um sich herum mit ungewohnter Schärfe wahr: Da waren die Berittenen, die die Säbel zückten, die Gesichter in der Menge, die es ebenfalls bemerkten und sich voller Schrecken verzogen, eine Frau, die ein kleines Kind auf dem Arm hielt und es an sich drückte. Julie wollte um jeden Preis verhindern, dass die Soldaten ihre Waffen abfeuerten, und ohne dass sie es bewusst steuerte, strömte wieder das blaue Licht aus ihr heraus.
    Diesmal fühlte es sich entsetzlich an, als würde ihr Inneres aus ihr herausgerissen. Sie hörte sich selbst mit den Zähnen knirschen, doch kurz bevor sie zusammenbrach, sah sie, wie das Licht auf den Kommandanten zuraste und ihn umhüllte. Verdutzt hielt er mitten im Satz inne, dann gab er in ruhigem Tonfall den Befehl, die Leute laufen zu lassen, bevor es Tote gebe. Die Soldaten zögerten kurz, steckten dann aber ihre Waffen weg. Julie, die sich neben dem Prellstein zusammengekauert hatte, sah erleichtert, wie sich die Menschen rasch in die Sicherheit der Gassen flüchteten. Zurück blieben nur das zertrümmerte Fass und ein paar Bogen Papier.
    Nun verschwand auch die Lichthülle um den Offizier, der um sich blickte und sich zu wundern schien, dass er und seine Soldaten alleine auf dem Platz waren. Julie schnappte nach Luft. Ihr Kopf dröhnte, und sie wischte sich kalten Schweiß von der Stirn. Mit dem blauen Licht war alle Kraft aus ihr gewichen. Ich bin krank .Sie stöhnte.
    Sie nahm die Katze auf und drückte ihr Gesicht in das weiße Fell, um sich zu beruhigen. Ihr Körper zitterte wie bei einem Fieberanfall, und ihr war so übel, dass sie befürchtete, sich mitten auf den Kirchplatz erbrechen zu müssen. Irgendwie musste sie nach Hause kommen, wo ihre Mutter sich um sie kümmern würde, doch sie war zu ausgelaugt, um aufzustehen.
    Du bist nicht krank , erwiderte Songe. Atme ganz ruhig, es wird gleich besser.
    Tatsächlich verging der Schwindel nach einigen Minuten, zurück blieb eine bleierne Müdigkeit. Julie wollte sich nur noch hinlegen und schlafen. Ihre Lider waren so schwer, dass sie die Augen kaum noch offenhalten konnte.
    Ich fühle mich furchtbar. Was war das?
    Songes Bernsteinaugen blickten aus nächster Nähe in die ihren.
    Etwas sehr Gefährliches: ungezügelte Magie.
    Julie lächelte matt. So etwas wie Magie gibt es doch gar nicht.
    Songe entwand sich Julies Griff und setzte sich vor ihr auf das Pflaster, den Schwanz um die Vorderpfoten geschlungen.
    Wir Katzen haben einen sechsten Sinn für Magie, sagte sie würdevoll. Warum, glaubst du, sind die Leute um dich herum zurückgewichen?
    Vielleicht sollte ich mich mal wieder waschen?, versuchte Julie zu scherzen, obwohl sie genau wusste, dass gerade etwas Außergewöhnliches geschehen war.
    Die Soldaten hatten inzwischen angefangen, die verstreuten Flugblätter einzusammeln und in einen Sack zu stopfen. Einige hatten sich in den Bäumen verfangen, die den Kirchhof einfassten, und ganz in der Nähe versuchten zwei Soldaten, auf die Mauer zu klettern, um von dort aus die Flugblätter aus den Ästen zu pflücken. Julie stand langsam auf. Wenn sie nicht auf der Wache der Gendarmerie landen wollte, war es besser, zu verschwinden. Doch ihre Knie waren weich wie Gelee, und nach wenigen Schritten musste sie sich an eine Hauswand lehnen, um nicht wieder zusammenzusacken.
    Über ihrem Kopf wurde ein Fensterladen zugeknallt und verriegelt. Weit und breit war
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