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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin
Autoren: wood
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Grabungserlaubnis nur mit Vorbehal-ten erteilt hatte. »Hungerford!« rief Catherine schon von weitem, als sie sich den Wohncontainern der Bau-leitung näherte. »Sie hatten mir versprochen, nicht zu sprengen!«
    Die Gefährdung der Grabungen erschwerte ihr das Leben zusätzlich. Und im Augenblick hatte Catherine bereits mit genug Widrigkeiten zu kämpfen. Das Ministerium in Kairo saß ihr im Nacken und zeigte ein auffällig großes Interesse an der Ausgrabung. Früher oder später würden sie hinter die eigentliche Absicht kommen und wissen, daß Catherine gelogen hatte. Zu allem Überfluß hatte ihr die Stiftung in der letzten Woche mitgeteilt, man sehe sich gezwungen, das Projekt fallenzulassen und die Geldmittel zu streichen, wenn bei den Ausgrabungen nicht in Kürze positive Ergebnisse vorliegen würden. Aber ich bin doch fast am Ziel, dachte Catherine, während sie von Container zu Container lief und an die Blechtüren klopfte. Ich weiß, daß ich den Brunnen bald finden werde! Man muß mir nur die Möglichkeit geben, meine Arbeit ohne solche verdammten Störungen durchzuführen… »Hungerford! Wo sind Sie?«
    Catherine näherte sich dem Container, der als Planungsbüro diente. Plötzlich hörte sie in ihrem Rücken Stimmengewirr. Sie drehte sich um und sah im gleißenden Sonnenlicht, daß Hungerfords arabische Arbeiter zu der Stelle rannten, wo das Dynamit gezündet worden war.
    Sie beobachtete verblüfft, wie die Männer aufgeregt gestikulierend in der sich langsam auflösenden Staubwolke auf einen Felsen zuströmten. Offenbar hatte einer der Arbeiter etwas gefunden.
    Catherine hielt den Atem an. Sie kannte diese Art Aufregung. So war es auch bei den Grabungen in Israel und im Libanon gewesen, wenn etwas wirklich Wertvolles und Einmaliges gefunden worden war.
    Plötzlich rannte auch sie los, sprang über Steine, wich Felsbrocken aus und stolperte über Geröll. Sie erreichte die Gruppe in dem Augenblick, als sich Hungerford einen Weg durch die Menge bahnte.
    »Was soll das? Wer hat euch gesagt, daß ihr die Arbeit unterbrechen könnt?«
    Der dicke Texaner nahm den leuchtend gelben Schutzhelm vom Kopf und fuhr sich mit der Hand durch die rötlichen Haare. Wie immer lief ihm der Schweiß über das rote Gesicht. »Guten Morgen, Frau Doktor«, begrüßte sie Hungerford, als er Catherine sah. »Also, was ist los, Leute?«
    Die Araber begannen alle auf einmal zu reden. Einer hielt etwas in der Hand, das wie das Stück einer alten vergilbten Zeitung aussah.
    »Warum die Aufregung?« murmelte Hungerford kopfschüttelnd.
    »Darf ich?« Catherine nahm dem Araber den Fund aus der Hand. Die Männer verstummten und sahen gespannt zu, als sie das Papier aufmerksam betrachtete. Es war kein Papier, sondern Papyrus.
    Sie zog eine Lupe aus der Tasche ihrer Khakibluse und betrachtete das Fragment. »›Jesus‹…!« flüsterte sie plötzlich. Hungerford verzog spöttisch die Lippen. »Sie werden doch nicht fluchen, Frau Doktor?«

    »Nein, das steht hier. Sehen Sie? Hier steht auf griechisch ›Jesus‹.« Hungerford kniff die Augen zusammen. Sie deutete auf das Wort ›Iesous‹, und er murmelte sichtlich beeindruckt: »Das heißt tatsächlich Jesus?«
    »Ja, und das hier ist, wie Sie sehen, nur ein Fragment.« Catherine deutete auf den Riß. Die untere Hälfte des Papyrus fehlte. Er lachte plötzlich laut, und es klang spöttisch, als er fragte: »Ist das vielleicht ein ›Jesus-Fragment‹?«
    Catherine kannte seine unverschämte Art, sich über ihre Arbeit lustig zu machen, und gab ihm keine Antwort. Sie betrachtete den Fund nachdenklich. Der Papyrus hatte eine honiggelbe Farbe und war mit schwarzen Schriftzeichen bedeckt. Sie sah sofort, daß es sich nicht um neugriechische Buchstaben handelte. Das war in der Tat ein sehr altes Dokument. Ihr Herz schlug plötzlich schneller.
    Bin ich vielleicht auf das gestoßen, wovon jeder Archäologe träumt? Nein, es wäre einfach zu schön, zu wunderbar, um wahr zu sein…
    »Vermutlich stammt es von einem Einsiedler aus dem vierten Jahrhundert«, murmelte sie ausweichend und schob sich eine Strähne des kastanienbraunen Haars aus der Stirn. Dann fügte sie erklärend hinzu: »In den Felsenhöhlen hier lebte einst eine große Zahl Asketen und Propheten, und am Ende des römischen Reiches war Griechisch unter den Gelehrten weit verbreitet.« Hungerfords Blick richtete sich auf die Wüstenland-schaft zu ihrer Linken. Die Sonne brannte bereits unbarmherzig auf die zerklüfteten hohen
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