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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin
Autoren: Helena Marten
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regelmäßig zu Gast im Salon von Constanze
Simons, Georgs und Friederikes Mutter. Mit den großen Abendgesellschaften in Dresden, Berlin oder Paris konnte Constanze Simons zwar nicht mithalten, dafür war ihr Salon der Erste vor Ort und so etwas wie der gesellschaftliche Mittelpunkt von Meißen.
    »Woher soll Kommerzienrat Helbig wissen, womit du dich gerade beschäftigst oder was für Termine du hast?«, setzte Friederike nach.
    »Dann muss ich morgen mit Höroldt sprechen. Das ist viel schlimmer. Du weißt, wie er ist!«
    Georg runzelte die Stirn. Johann Gregorius Höroldt leitete die Porzellanmalerei. Der Hofmaler war sehr auf Disziplin bedacht und konnte Schlamperei nicht ausstehen.
    »Wenn es so eilig ist, dann mach dich doch selbst an die Arbeit!«
    »Ich habe mich auf dich verlassen, liebe Schwester!«
    Der drohende Unterton sollte offenbar die Wirkung von Georgs Worten untermalen. Doch Friederike entschied, sich von ihm nicht einschüchtern zu lassen. Ruhig begann sie, ihre Arbeitsutensilien zu säubern. Nacheinander kamen der Pinsel, der kleine Spachtel, den sie zum Anmischen der Farben verwendet hatte, und die Palette an die Reihe.
    »Du kannst das viel schöner. Das weißt du genau«, änderte ihr Bruder seine Taktik. Er lächelte nun.
    Georg Simons war nicht nur faul, er war zudem kein besonders talentierter Porzellanmaler. Dafür, musste Friederike zugeben, sah er recht gut aus und konnte durchaus charmant sein, wenn er wollte. Das war wohl auch der Grund, weshalb ihm seine Umgebung alles durchgehen ließ, sie selbst eingeschlossen.
    »Bitte, bitte! Tut mir leid, dass ich so aufbrausend war. Mach die Figuren einfach so schnell wie möglich fertig. Mir wird schon eine Ausrede einfallen«, fügte er hinzu.
    Es war mehr als deutlich, dass Georg wieder einmal keine Lust verspürte, sich an die Arbeit zu machen. Er malte nur selten.
Und wenn, dann waren es meist einfache Motive, die Friederike verfeinerte. Zwar hatte er ihr alles beigebracht, was er wusste, anschließend hatte sie aber bald begriffen, dass sie die Begabtere und Fleißigere der beiden Geschwister war. Schon als Vierzehnjährige war sie ihrem Bruder weit voraus gewesen. Georg war allerdings perfekt darin, den Künstler zu mimen. Er verdiente als freischaffender Porzellanmaler eine ordentliche Stange Geld. Trotzdem wunderte sie sich, dass er mit diesem Spiel schon so lange durchgekommen war. Als Georg sechzehn geworden war und so gar keine beruflichen Interessen jenseits des gepflegten Nichtstuns gezeigt hatte, war dem Vater klar geworden, was auf ihn zukommen würde. Bei seiner Frau hatte er wenig Verständnis für seine Sorgen gefunden. Constanze Simons, eine noch immer schöne, schlanke Mittvierzigerin, die aus weit vornehmeren Verhältnissen als ihr Mann stammte, verachtete jede Art von Arbeit und machte deshalb aus Georgs Bequemlichkeit kein Drama. Es hatte Streit gegeben zwischen den Eltern. Für einen kaufmännischen Beruf fehlte Georg die Ausdauer. Er hatte den Vater fast in den Wahnsinn getrieben, als er für ein paar Wochen in seiner Verlagsbuchhandlung mitgearbeitet hatte. Um zu studieren, hätte er wenigstens ein Minimum an Engagement für die unterrichteten Fächer zeigen müssen. Irgendwann war es Konrad Simons schließlich gelungen, seinen Sohn als Lehrling bei Johann Höroldt unterzubringen. Porzellanmaler waren in Meißen hoch angesehen. Einen einfachen Handwerker hätte die Mutter auch kaum in der Familie geduldet. Dem Vater wäre alles recht gewesen, solange sein Sohn ihm nicht bis ans Ende seiner Tage auf der Tasche liegen und seine Zeit verplempern würde.
    Auf diese Weise war Georg Porzellanmaler geworden. Kaum jemand wusste, dass er kein zeichnerisches Talent besaß. Bei dem Gedanken musste Friederike beinah lachen. Kein Wunder, sinnierte sie, spezialisiert, wie die Künstler heutzutage waren! Der eine malte nur Insekten, der andere die goldenen Verzierungen,
der dritte Chinesen. Georg bekam immerhin recht passable Hunde und Katzen zustande. Sie hingegen konnte alles malen, und sie malte für ihr Leben gern. Am liebsten hätte sie ihre gesamte Zeit damit zugebracht. Sie hatte Leoparden und Affen gemalt, Kraniche, Delfine, Schmetterlinge und Drachen, Nymphen, Faune und Harlekine, Jäger und Sultaninnen. Sogar die beliebten Watteau-Szenen mit den Liebespaaren in der Natur oder in Gesellschaft, vor deren Kleinteiligkeit sie immer zurückgescheut war, machten ihr mittlerweile keine Angst mehr. Vor Kurzem hatte sie auch die
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