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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit
Autoren: Richard Dübell
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dass Albert Sneydenwint seinen Posten als Kämmerer des Bischofs nicht aufgrund besonderer geistiger Fähigkeiten erhalten hatte. Wahrscheinlich war er ein weiterer Gläubiger Heinrichs. Dann räusperte sich der Bischof, wippte auf den Zehenballen und sagte: » Sacrista und scholastica in einem, eh? Wollen wir mal sehen, wie gut Ihr in beidem seid, Schwester. Wer weiß, was numquam reformata quia numquam deformata bedeutet …?«
    Elsbeth, die sich zwar nicht vorstellen konnte, welche Gefahr von dem dicken Kämmerer ausgehen konnte, wenn er in den Raum für die Verrückten geriet – außer, dass man ihn dortbehielt –, der aber dennoch die Warnung ihrer großen Schwester in den Ohren klang, nickte erleichtert. Wenn der Bischof die Mädchen hier zu ihrer Bildung zu befragen wünschte, war er vielleicht gar nicht wirklich am Hospiz interessiert und würde es mit seinen Trabanten bald wieder verlassen. Dann würde weder Albert Sneydenwint in Gefahr geraten, den Trakt für die Verrückten zu betreten, noch würde der Bischof der jungen Hedwig über den Weg laufen. Und was das Wissen der Mädchen betraf, nun, da brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, es sei denn, der Bischof geriet an die eine ihrer Schülerinnen, der sie bereits eingeschärft hatte, sich im Hintergrund zu halten und ja nicht aufzufallen …
    »… ja, Ihr da hinten, junges Fräulein. Nein, hinter Euch steht niemand mehr. Ich meine Euch . Nun? Eh?«
    … was offensichtlich ein Fehler gewesen war. Elsbeth schloss die Augen.
    »Wie lautet Euer Name?«
    »A… Adelheid, ehrwürdiger Vater.«
    Albert Sneydenwints rundes, von der Rasur geschundenes Gesicht leuchtete auf. Elsbeth fragte sich unwillkürlich, wer von seinen Verwandten entfernt so ähnlich hieß wie Adelheid.
    »Nun? Eure Antwort?«
    »Äh …«, machte Adelheid und verstummte dann.
    »Ein guter Anfang, meine Liebe. Und wie geht es weiter?«
    »Vielleicht dürfte ich anmerken …«, warf sich Elsbeth in die Bresche.
    Bischof Heinrich schüttelte unwillig den Kopf. Er war ein unscheinbarer kleiner Mann, dem irgendjemand einmal gesagt hatte, Schwarz lasse ihn majestätisch aussehen, und der beim Reden beständig auf den Fußballen wippte. Alles in allem gab dies ihm das Aussehen einer Krähe, die aufgeregt nach Futter pickt. Es war offensichtlich, dass Bischof Heinrich die Frage der Äbtissin nach den vier Pfund Unterstützung jährlich abschlägig zu bescheiden gedachte, aber zu feige war, es ohne einen Grund zu tun, und sei er vorgeschoben. Elsbeth hatte plötzlich das Gefühl, eine der Mäuse zu sein, die die Schausteller auf den Jahrmärkten vorführten. Die Mäuse mussten einen Hindernislauf absolvieren. Die Hindernisse bestanden aus Schlagfallen, die von einem Zuschauer aus dem Publikum ausgelöst werden konnten. Der Schausteller setzte die Maus in den Parcours, sie rannte los, und der Kandidat versuchte, mit dem Auslösen der Fallen schneller zu sein als die Maus. In der Regel war die Maus sehr schnell. Manchmal waren die Kandidaten schneller. Ihre Augen pflegten genauso zu funkeln wie die des Bischofs, dessen Blicke auf Elsbeth ruhten, obwohl sein eigentliches Opfer die junge Adelheid war.
    »Ah, was sehe ich denn da?«, knödelte Albert Sneydenwint.
    Der Bischof hatte nicht vor, sich ablenken zu lassen. »Ich warte …«, sagte er mit gefährlicher Stimme.
    »Äh … äh … reformata  … reformiert … äh … äh … deformata  … hmmm …«
    »Das ist doch wirklich nicht so schwer, Fräulein Adelheid.«
    »Mein Vater sagt immer, dass es genügt, wenn Frauen den Mund halten, anstatt fremde Sprachen zu lernen!«, platzte das Mädchen heraus.
    Bischof Heinrich, der mit Sicherheit in seinem tiefsten Herzen der gleichen Meinung war, zeigte sich dennoch unnachgiebig. »Euer Vater, Fräulein Adelheid, ist nicht hier!«
    Eine andere Novizin hob schüchtern die Hand. »Darf ich, ehrwürdiger Vater …?«
    »Nein!«
    »Niemals reformiert, da niemals deformiert«, sagte Elsbeth, die es nicht länger mit ansehen konnte. »Entschuldigt, ehrwürdiger Vater. Ich habe mir erlaubt, meinen Schülerinnen zuerst die Grundlagen des Ordens von Cîteaux zu vermitteln.«
    »Ihr solltet auf die anderen Orden achten, Schwester Scholastika. Die Zisterzienser sind nicht im Besitz der allein seligmachenden Weisheit.«
    »Ich weiß, was das ist«, sagte Albert Sneydenwint und deutete auf eine flache Unterlage, auf der ein säuberlich zu einem Kegel aufgeschichtetes Häuflein dunkler Materie
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