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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit
Autoren: Richard Dübell
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Der Mann war einer der engsten Vertrauten von Kaiser Federico gewesen und hatte ihn dann verraten, angeblich wegen zu großer Nähe zu ketzerischem Gedankengut. Er würde sich nicht vor Hedwig stellen oder vor das Kloster, das ihr Zuflucht gab. Im Gegenteil, er würde dafür sorgen, dass sie alle ins Feuer gehen mussten.
    Als Elsbeth schweratmend in das Hospiz platzte, standen ihre Novizinnen und die Besucher in einer Gruppe am einen Ende des Raumes und steckten die Köpfe zusammen. Zu ihrem Entsetzen wurde ihr klar, dass die Mädchen in Abwesenheit ihrer Meisterin versuchten, die Fragen des Bischofs zu beantworten. Schlitternd kam sie zum Halten, atmete einmal tief durch, strich ihren Habit glatt und schritt dann auf die Gruppe zu.
    »Ah«, sagte ein Mann mit feistem, glänzendem und offensichtlich frisch rasiertem Gesicht. Er trug eine reich bestickte Kappe, die auf seinem Kopf balancierte wie ein aufgeplusterter Vogel auf einem Standbild, und eine mit breiten gold-roten Schrägstreifen gemusterte Tunika. Vermutlich hätte man ihn im Dunkeln gesehen. Elsbeth kam er vage bekannt vor, aber sie war viel zu aufgeregt, um darüber nachzudenken. Alle anderen, vor allem der in Schwarz gekleidete Bischof und der ebenso nüchterne Propst, wirkten neben ihm wie Vogelscheuchen. »Ah, eine weitere heilige Schwester.«
    Elsbeth verneigte sich. »Ich bin die sacrista von Sankt Maria und Theodor.«
    »Und die Schwester scholastica , wie ich gehört habe«, schnarrte Bischof Heinrich und streckte die Hand mit dem Bischofsring zum Kuss aus. Der Gedanke, dass die Frauen des Konvents in der Kunst des Lesens und Schreibens unterwiesen wurden, erfüllte ihn offensichtlich nicht mit Freude. »Eure Mutter Oberin hat viel Vertrauen in Euch.«
    »Ich danke Euch, ehrwürdiger Vater«, erwiderte Elsbeth und verneigte sich auch vor Propst Rinold. Dieser nickte, als ob ihn das alles nichts anginge. In gewisser Weise hatte er recht damit. In anderen Frauenklöstern wurde der Propst, also der Mann, der der Äbtissin in allen weltlichen Dingen ihres Konvents zur Seite stand, vom Mutterkloster entsandt. Die besondere Stellung von Sankt Maria und Theodor als dem Bistum Papinberc unterstellt hatte dem Bischof die Aufgabe der Entsendung übertragen, und er hatte einen der Männer erwählt, dem er Geld schuldete – vermutlich in der Hoffnung, dass der Propst dabei genug Geld für sich abzweigen konnte, um des Bischofs Schulden gnädig zu vergessen. Dass Bischof Heinrich dies sogar nach seinem ersten Gespräch mit Lucardis immer noch gehofft hatte, war erstaunlich. Propst Rinold hatte nie erkennen lassen, ob die Geschicklichkeit der Äbtissin, mit der diese ihn jedes Mal ausmanövrierte, wenn er sich in die Geschäftsangelegenheiten des Klosters einmischte, ihn verärgerte oder amüsierte. Jedenfalls hatte er den Bischof seine Schulden nicht vergessen lassen.
    Der vierte Mann in der Gruppe war so unscheinbar, dass Elsbeth einmal mehr kämpfen musste, um sich an seinen Namen zu erinnern. Mit ihm verhielt es sich so, dass man überrascht war, wenn er sich nach einem Besuch verabschiedete, weil man gar nicht wahrgenommen hatte, dass er da war. Wäre er alleine irgendwo aufgetreten, hätte es sein können, dass man mitten im Gespräch den Raum verließ, einfach weil man seine Anwesenheit vergessen hatte. Für Elsbeth war es ein Rätsel, dass er noch nicht in irgendeiner Gasse über den Haufen geritten worden oder unter die Räder eines Karrens gekommen war. Reiter und Karrenlenker hätten nachher, ohne zu lügen, behaupten können, ihn einfach nicht gesehen zu haben. Endlich fiel ihr wieder ein, wie er hieß. Sie nickte ihm zu: »Meister Hartmann.«
    Der junge Mann nickte zurück und lächelte. Elsbeth wusste nicht einmal, ob er ein Angehöriger des Klerus oder ein Laie war.
    »Ah …«, sagte der dicke Mann. »Ein außergewöhnlicher Name – Scholastika. Ich hatte eine Tante, die hieß Clementia.«
    »Scholastika bedeutet Schulmeisterin«, knurrte der Bischof. »Die Schwester hier …«
    »Schwester Elsbeth«, sagte Elsbeth.
    »… ist gleichzeitig für die Betreuung und für die Ausbildung der Novizinnen zuständig.«
    »Meine Schwiegermutter heißt Elsbeth«, eröffnete der dicke Mann. »Oder eigentlich nicht. Eigentlich heißt sie Gertrud. Klingt aber so ähnlich, oder? Haha!«
    Für einen Augenblick trat die Art von Stille ein, die sich auch über einen Thronsaal senkt, wenn dem König beim Niedersetzen die Hosennaht zerreißt. Jedem war klar,
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