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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit
Autoren: Richard Dübell
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Äbtissin, war Mitte zwanzig. Die Regel der Zisterzienserinnen lautete, dass eine Äbtissin mindestens dreißig Jahre alt sein musste, aber das Papinbercer Zisterzienserinnenkloster war nicht immer regelkonform aufgestellt. Nicht einmal Bischof Heinrich von Bilvirncheim hatte Einspruch erhoben, als Lucardis vor zwei Jahren von ihrer Vorgängerin vorgeschlagen worden war. Die neue Äbtissin war bekannt dafür, einen Sinn für Zahlen zu haben, besonders wenn diese mit Finanzen verbunden waren. Der Bischof liebte es, wenn wenigstens in einem Bereich seiner weit gespannten Verantwortlichkeiten halbwegs Gewinne erwirtschaftet wurden.
    Die Hierarchie von Sankt Maria und Theodor war flach – es gab die sacrista , die die Schlüsselgewalt und die Aufsicht über die liturgischen Gefäße innehatte, Um- und Neubauten beaufsichtigte und für die Herstellung der Hostien verantwortlich war; die cantrix als Chorleiterin und Bibliothekarin und direkte Vertreterin der Äbtissin – der Einfachkeit der regulae benedicti folgend, besaß das Zisterzienserinnenkloster weder Priorin noch Subpriorin –; die infirmaria ; die vestiaria , in deren Verantwortungsbereich sämtliche Kleidung und die Tischtücher fielen; die celleraria für alle Verpflegungsfragen und die portaria , die über den Zugang von und zur heillosen Welt außerhalb der Klostermauern wachte. Bis auf die Pförtnerin waren alle Frauen noch jung.
    Schwester Elsbeth, die scholastica oder Novizenmeisterin, war die Jüngste von ihnen. Die Postulantinnen und die Novizinnen, die das Kloster nach der ersten Begegnung mit der Schwester Pförtnerin vor Ehrfurcht und Angst erstarrt betraten, schlossen sie meist schon beim ersten Gespräch ins Herz.
    »Bis jetzt hast immer du die Gespräche mit dem Bischof in deiner Zelle geführt«, hörte Elsbeth sich während der Unterredung mit der Äbtissin sagen und erinnerte sich an die leichte Panik in ihrer Stimme, während ihr der Atem beim Laufen langsam knapp wurde. Sankt Maria und Theodor war ebenso eng wie verwinkelt und in den Kaulberg hineingebaut. Das Kloster war als eine Art späte Idee um das ursprüngliche Hospiz herum entstanden, und wenn Elsbeth den Treppen und Fluren folgte, um an einen Ort zu gelangen, der von der Idealvorstellung eines Klosters her ganz woanders hätte liegen müssen, empfand sie meistens den dringenden Wunsch, den Konvent vollkommen umzubauen. Dieses Mal wünschte sie sich jedoch nur, so schnell wie möglich ins Hospiz zu gelangen. Die Erinnerung an den Schreck der Äbtissin überlagerte kurz das Echo des zuvor geführten Gesprächs: »Lauf, Elsbeth, lauf!«
    »Ich habe Bischof Heinrich vor ein paar Wochen gebeten, das Hospiz mit vier Pfund jährlich zu unterstützen«, hatte Lucardis erklärt. »Ich habe ihm erläutert, dass wir mit dieser Investition einen kleinen Anbau errichten und einen Trakt für Adlige und wohlhabende Bürger schaffen können. Dann würden diejenigen von ihnen, die unsere Brüder in benedicto auf dem Michaelsberg auf Wartelisten gesetzt haben, weil ihr Hospiz überfüllt ist, stattdessen zu uns kommen. Das Hospiz von Sankt Maria und Theodor würde den Ruf verlieren, ein Pflegeheim nur für die Armen zu sein, und mehr Zuwendungen würden fließen, und …«
    »… aus vier Pfund Unterstützung im Jahr würden acht Pfund Dividende.«
    Lucardis hatte gelächelt. »Offenbar hat Vater auch dich neben einem Geldwechslertisch gezeugt. Das wirft ein merkwürdiges Licht auf die nächtlichen Angewohnheiten unserer Eltern.«
    »Ich stehe nur lange genug unter deinem schlechten Einfluss, Schwesterherz.«
    Die Äbtissin und die Novizenmeisterin waren Schwestern nicht nur im übertragenen Sinn als Klosterangehörige, sondern auch im wirklichen Leben, als Lucardis noch Mechthild von Swartzenberc geheißen hatte und Elsbeth Yrmengard von Swartzenberc. Von Kindesbeinen an waren die beiden unzertrennlich gewesen. Es hatte niemals Geheimnisse zwischen ihnen gegeben.
    Das hieß, bis vor einiger Zeit hatte es niemals Geheimnisse zwischen ihnen gegeben. Bis zu jenem Tag in Colnaburg.
    »Hast du Schwester Hedwig in Sicherheit gebracht?«, hatte Lucardis gefragt.
    »Ja, natürlich.«
    Und dann war eine junge Schwester in die Zelle der Äbtissin geplatzt und hatte keuchend gemeldet, dass der Bischof samt Gefolge eingetroffen sei.
    »Wie – samt Gefolge? Was für ein Gefolge?«
    »Seine Ehrwürden hat Propst Rinold, seinen Assistenten und seinen Kämmerer mitgebracht.«
    »Den Kämmerer? Albert
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