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Die Pfanne brät nicht!

Die Pfanne brät nicht!

Titel: Die Pfanne brät nicht!
Autoren: Alice Diestel
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eingesetzt. Und dieses auf das Minimum beschränkte Personal – zahlenmäßig, nicht geistig – soll das Maximum an Arbeit schaffen. Das nennt man Leistung. Und Leistung ist das oberste Ziel, das A und O, des Pudels Kern, das Ei des Kolumbus – der Heilige Gral des THEO ! OOHHMMM !
    Wir spielen also nicht den Sklaventreiber, um die THEO -Besucher zu ärgern, oder weil es uns Spaß bereitet, zuzusehen, wie ihnen an der Kasse der Schweiß ausbricht. – Obwohl, wenn ich es mir so recht überlege …
    Aber nein, sondern weil wir uns schlicht und einfach dem System fügen müssen, wenn wir unseren Job behalten wollen. Jeder ist ersetzbar, und wie in jedem anderen Beruf warten auch vor THEO s Tür viele, um bei dem «Mercedes unter den Discountern» einen Arbeitsplatz zu ergattern. Dieses magische Wörtchen «Leistung» müssen wir uns also zehn Stunden am Tag wie ein Mantra «vor-oohhmmmen». Von unseren Kunden erwarten wir lediglich zwei Minuten konzentriertes «mit-oohhmmmen».
    Für uns heißt das also in Kurzfassung: Finger jucken lassen. Kein Kleingeld annehmen. So schnell es geht wieder aus der Kasse raus und im Laden weiterarbeiten. Für den Kunden heißt das ebenfalls, Finger jucken lassen. Kein Kleingeld hervorkramen. Und sich bei Engpässen wie Pausen oder ungewöhnlich hohem «Verkehrsaufkommen» in Geduld üben müssen, wenn die Schlange länger und länger wird. Bei uns werden Sie keine Kassiererin sehen, die gelangweilt in der Kasse sitzt und wartet, bis ein Kunde kommt, sich womöglich vor dem Scanner-Spiegel noch die Lippen nachzieht. Seien Sie froh! Denn jede Verzögerung bezahlen im Endeffekt Sie, der Kunde! Zeit ist Geld. Je mehr Leute im Kleingeld kramen, desto mehr Kassen müssen geöffnet werden, und desto mehr Kassiererinnen werden benötigt. Je mehr Angestellte im Einsatz sind, desto höher die Personalkosten. Und woher sonst sollte THEO das Geld hierfür nehmen, wenn nicht direkt aus Ihrem Portemonnaie! Durch Preisaufschläge bei den Produkten. Darum ist der oft angebrachte Vorwurf mancher Kunden, wir würden so schnell arbeiten, damit wir mehr Geld verdienen, vollkommen fehl am Platz.
     
    Das alles klingt reichlich ungemütlich oder vielleicht sogar unmenschlich. Womöglich werden Sie fragen: Wo sind nur die guten alten Tante-Emma-Läden abgeblieben? Was war das noch schön! Dorthin ging man täglich. Der Kohl fürs Mittagessen wurde dort gekauft und die Wurst fürs Abendbrot. In aller Gemütlichkeit bekam man dann seine Siebensachen schön verpackt und ausgehändigt. Aber meist blieb man noch ein wenig länger, denn dort konnte man in aller Seelenruhe noch einen Plausch halten und erfuhr gratis obendrein, mit wem Frau Lohmann aus der Hirschengasse ihren Mann betrogen hat und dass Herr Schulze wieder mal arbeitslos ist.
    Die kleinen Läden an der Ecke sind nun leider vielerorts vom Erdboden verschwunden. Tante Emma hat mit dem Wort Leistung eben nichts am Hut gehabt. Wer kann es sich heute noch leisten, nur Hausfrau oder -mann zu sein, jeden Mittag frisch seine Familie zu bekochen und täglich dafür einkaufen zu gehen. Dazu haben die Wenigsten noch Zeit. Die Großfamilie, die früher alles möglich gemacht hat, ist so gut wie ausgestorben. In der Durchschnittsfamilie der Mittelschicht müssen oft beide Ehepartner ran und das Geld reinbringen, nebenher den Haushalt schmeißen und die Kinder hüten oder von A nach B bringen. Da bleibt keine Zeit mehr für den täglichen Schwatz bei Emma. Die Discounter haben Emma verdrängt, weil sie das anbieten, was die Leute heute wollen: viel – billig – schnell. Einmal die Woche geht’s zum Großeinkauf, und das soll möglichst zügig hinter sich gebracht werden. Die Menschen sind ständig in Eile und haben für nichts mehr Zeit. Darum gibt es immer mehr Fertiggerichte und Tiefkühlkost. Darum sind Mikrowellengeräte und Mini-Backöfen der Renner. Darum gibt es Discounter wie THEO , und darum gibt es uns ruhelose Ungeheuer an den Kassen.
    «Der Jack the Ripper unter den Leistungswürgern», der Zeitfresser Nummer 1: das liebe Geld
    Verantwortlich für die meisten Verzögerungen an unseren Kassen sind die Kunden, die ständig versuchen, ihr Kleingeld bei uns loszuwerden. Dabei bin ich mir sicher, dass ein großer Teil dieser Erbsenzähler uns gar nichts Böses will. Im Gegenteil. Sie denken, uns einen Gefallen damit zu erweisen. Also dürfen wir uns in die dunklen, undurchdringlichen Tiefen ihrer antiquarischen Lederlappen, auch Portemonnaies
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