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Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London
Autoren: Daniel Defoe
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am Anfang des Jahres, als die Pest noch kaum begonnen hatte und noch keineswegs bis in die Gegend der Stadt gedrungen war, wo man gewöhnlich auf Anheuerung ausgeht; und obwohl der Krieg mit Holland den Leuten damals überhaupt nicht zupaß kam und viele sich beschwerten, sie seien mit Gewalt in ihn hineingezerrt worden, so erwies sich dies trotzdem am Ende für viele von ihnen als ein glücklicher Fall von Gewalt: Wahrscheinlich wären sie in der allgemeinen Katastrophe mit zugrunde gegangen, so aber hatten sie, nachdem der Sommerdienst vorbei war, zwar Anlaß, das traurige Los ihrer Familie zu beweinen – denn viele ihrer Angehörigen waren, als sie zurückkamen, im Grab – aber sie konnten nur dankbar sein, daß sie der Reichweite des Unheils, wenn auch sehr gegen ihren Willen, entzogen worden waren. Wir hatten in der Tat einen hitzigen Krieg mit den Holländern in dem Jahr, und es kam zu einem sehr schweren Seegefecht, in welchem die Holländer den kürzeren zogen, aber wir verloren viele Männer und einige Schiffe. Jedoch die Pest kam nicht auf die Flotte, wie ich schon bemerkte, und als sie mit ihren Schiffen im Fluß vor Anker gingen, ließ die Heftigkeit der Seuche bereits nach.
Ich würde mich freuen, wenn ich den Bericht von diesem trübseligen Jahr mit einigen besonderen geschichtskundlichen Beispielen schließen könnte; ich meine Beispiele dafür, wie wir Gott, unserem Retter, danken mußten, aus dieser furchtbaren Not befreit zu werden. Sicherlich riefen die Umstände unserer Erlösung wie auch die Furchtbarkeit des Feindes, von dem wir erlöst wurden, die ganze Nation zu diesem Dank auf. Die Umstände der Befreiung waren in der Tat sehr bemerkenswert, wie ich teilweise schon erwähnt habe, und besonders die Tatsache, daß wir uns in einer so schrecklichen Lage befanden, als wir zur Überraschung aller in der Stadt, mit der freudigen Hoffnung auf ein Ende der Seuche erfüllt wurden.
Nichts außer der Hand Gottes selbst, nichts als die allmächtige Kraft konnte das getan haben. Die Seuche trotzte aller Medizin, der Tod hielt Ernte in jedem Winkel, und wäre es weiter so gegangen, wie es ging, dann wäre in ein paar Wochen die Stadt von jedem lebendigen Wesen entleert gewesen. Die Menschen waren überall am Verzweifeln, aus Furcht verging ihnen aller Lebensmut, die Angst ihrer Seelen nahm den Leuten jede Hoffnung, und die Schrecken des Todes standen auf ihren Gesichtern und in ihren Blicken.
Gerade in diesem Moment, als wir mit gutem Recht sagen mochten: »Vergebens war alles menschliche Mühen«, ich sage, gerade in diesem Moment gefiel es Gott, zu unserer sehr willkommenen Überraschung, das Wüten der Pest, und sogar ganz von selbst, erlahmen zu lassen; und ihre Bösartigkeit wurde schwächer, wie ich schon sagte, und obwohl unzählige Menschen krank waren, so starben doch weniger, und gleich in der ersten Woche sank die Totenziffer auf dem Register um 1843; in der Tat eine ansehnliche Zahl!
Es ist unmöglich, dem Wandel Ausdruck zu geben, der sich in den Mienen der Menschen vollzog, als an jenem Donnerstagmorgen das Wochenregister erschien. Man konnte in ihren Gesichtern sehen, wie eine scheue Überraschung und ein Lächeln der Freude darin Platz griff. Sie drückten einander auf der Straße die Hände, die gleichen, die zuvor kaum miteinander auf der gleichen Straßenseite gegangen wären. Wo die Straße nicht zu breit war, riefen sie einander aus offenen Fenstern von Haus zu Haus zu und fragten, wie es gehe und ob man die gute Nachricht vom Nachlassen der Pest gehört habe. Einige entgegneten dann wohl, wenn sie »gute Nachricht« hörten: »Was für eine gute Nachricht?«
Und wenn sie dann zur Antwort erhielten, daß die Pest am Nachlassen sei und die Zahlen auf dem Register um beinahe 2000 zurückgegangen seien, dann riefen sie aus: »Gott sei gelobt!« und weinten laut vor Freude und versicherten, sie hätten noch nichts davon gehört; und so groß war die Freude der Leute, daß es für sie gewissermaßen eine Auferstehung von den Toten war. Ich könnte beinahe ebenso viele absonderliche Dinge anführen, die sie in dem Übermaß ihrer Freude vollführten, wie vorher in ihrem Gram; aber das wäre nur eine Entwertung.
Ich muß gestehen, ich selbst war, gerade bevor dies geschah, sehr niedergeschlagen gewesen; denn die Zahl derer, die in der Woche zuvor oder seit zwei Wochen von der Krankheit befallen wurden, war, neben denen, die starben, so ungeheuer groß, und das Wehklagen war überall so
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