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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London
Autoren: Daniel Defoe
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und so nahmen wir es als ausgemacht hin, daß insgesamt mindestens fünfzig Personen in der Woche an der Pest verstorben waren.
    Der nächste Registerauszug war für die Zeit vom 23. bis 30.
    Mai, und die Zahl der Pestkranken betrug siebzehn.
    Aber Beerdigungen waren in St. Giles dreiundfünfzig, eine erschreckliche Zahl! – von denen man nur neun für die Pest angab; aber als auf Ersuchen des Lordbürgermeisters die Friedensrichter der Sache genauer auf den Grund gingen, stellte sich heraus, daß in Wahrheit zwanzig Personen mehr in der Pfarre an der Pest verschieden waren, jedoch als Fleckfieber- oder andere Krankheitsfälle angegeben worden waren, neben weiteren, die man überhaupt unterschlagen hatte.
    Aber dies waren noch Kleinigkeiten im Vergleich zu dem, was gleich nachkam; denn jetzt setzte heißes Wetter ein, und von der ersten Juniwoche an griff die Ansteckung in schrek-kenerregender Weise um sich, und die Zahlen im Totenregister stiegen. Die verschiedenartigsten Fieberkrankheiten, Fleckfieber und Mundfäule wurden sehr häufig; denn jeder, der seine Krankheit verbergen konnte, tat es, damit nicht seine Nachbarn 11

    sich von ihm abwandten und sich weigerten mit ihm zu verkeh-ren, auch damit nicht die Behörden ihn in seinem Hause einschlössen, was, obwohl noch nicht durchgeführt, so doch bereits angedroht war.
    Schon der Gedanke daran brachte die Leute in äußerstes Entsetzen.
    In der zweiten Woche im Juni begrub St. Giles, der Sprengel, in dem immer noch das Hauptgewicht der Verseuchung lag, 120 Tote, von denen, obwohl das Register nur achtundsechzig zugab, wie jedermann wußte mindestens 100 Pesttote waren, wenn man es sich nach der sonst in der Pfarre üblichen Zahl von Beerdigungen wie oben ausrechnete.
    Bis zu diesem Zeitpunkt war die City verschont geblieben; in allen siebenundzwanzig Pfarren war niemand gestorben, wenn man von dem einen Franzosen, den ich vorher erwähnte, absieht. Jetzt starben vier Personen innerhalb der City, einer in der Wood Street, einer in der Fenchurch Street und zwei in der Crooked Lane. Southwark war gänzlich unberührt, noch nicht einen Toten hatte man auf jener Seite des Flusses.
    Ich wohnte außerhalb Aldgate, ungefähr halbwegs zwischen Aldgate Church und Whitechapel Bars, auf der linken oder nördlichen Seite der Straße; und da das Übel diese Hälfte der Stadt noch nicht erreicht hatte, nahmen wir es in unserer Gegend nicht sehr ernst. Um so größer war die Bestürzung am entgegengesetzten Ende der Stadt; und die wohlhabenderen Kreise, besonders der Adel und die vornehmen Leute aus den westlichen Stadtteilen, drängten sich, mit Kind und Kegel aus der Stadt zu kommen, was einen sehr ungewohnten Anblick bot; nirgends konnte man das so gut beobachten wie in Whitechapel, das heißt, auf der Broad Street, wo ich wohnte; da wimmelte es nur so von Wagen und Karren mit Gütern, Frauen, Kindern usw.; Kutschen, voll besetzt mit besseren Herrschaften, und Knechte für die Pferde, und alles auf dem Wege, nur rasch davonzukommen; dann erschienen leere Wagen und 12

    Karren und unbepackte Pferde mit Dienern, die, das war offenbar, vom Lande zurückkehrten oder zurückgeschickt worden waren, um andere nachzuholen; daneben unzählige Leute zu Pferde, manche allein, andere mit Dienerschaft, und alle ohne Ausnahme schwer mit Gepäck beladen und für die Reise ausgerüstet, wie jeder, der sie anschaute, deutlich sehen konnte.
    Es war wirklich sehr erschreckend und traurig, das zu sehen, und da es ein Schauspiel war, dessen Anblick vom Morgen bis zum Abend ich kaum entgehen konnte, da es tatsächlich nichts anderes von Bedeutung zu sehen gab, machte ich mir die ernstesten Gedanken über die Not, die der Stadt bevorstand, und über die unselige Lage derer, die in ihr zurückbleiben würden.
    Das Gedränge der Leute war für einige Wochen so arg, daß man nur unter den äußersten Schwierigkeiten bis zur Tür des Lordbürgermeisters gelangen konnte; der Andrang war dort so groß, weil man um Pässe und Gesundheitsbescheinigungen für Reisen nach auswärts anstand, denn ohne solche war an einen Durchlaß durch die Städte, die an der Straße lagen, oder an eine Übernachtung in einer Herberge nicht zu denken. Derweil die ganze Zeit über in der City niemand gestorben war, ließ unser Lordbürgermeister ohne weiteres allen, die in den siebenundneunzig Stadtsprengeln oder doch innerhalb der Stadtfreiheit wohnten, Gesundheitsbescheinigungen ausstellen.
    Das Gedränge, sage ich, hielt
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