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Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin
Autoren: Di Morrissey
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aber ich bin natürlich müde. Ich bin einfach nur froh, wieder hier zu sein.«
    »Ich auch. Ich wünschte, du hättest mir erlaubt, dich abzuholen.«
    »Der Flughafen ist doch nur zehn Minuten entfernt, und ich wollte ein Auto mieten. Außerdem, wenn du hier wärst, wäre an Ausruhen nicht zu denken.«
    »Darauf kannst du wetten. Ich hab dich vermisst.«
    »Also, wann wollen wir uns heute Abend treffen? Ich bin so aufgeregt wegen der Ausstellung. Es klingt, als wäre es die Gelegenheit, zu erfahren, wie es allen geht.«
    »Stimmt. Es ist eine richtig große Sache geworden. Deine kleine Freundin hat sich ordentlich ins Zeug gelegt, hab ich gehört. Essen wir danach zusammen zu Abend?«
    »Bist du mir böse, wenn ich abwarte, wie es mir geht? Vielleicht halte ich gar nicht so lange durch. Kommt Simon auch?«
    »Nein, Cocktailpartys und Schmuckvernissagen, das ist nicht sein Fall. Ich hol dich um halb sieben ab.«
    »Wunderbar. Bis dann, Dale.«
    »Bis dann, du Prachtweib.«
    Sie hatten sich vor sechs Monaten während Dales Jahresurlaub zum letzten Mal gesehen. Er war ein auf robuste Weise gut aussehender Mann von sechzig Jahren mit tiefschwarzem, modisch kurz geschnittenem Haar, in das sich nur hie und da ein Anflug von Grau mischte. Er war mittelgroß und kräftig, braun gebrannt, mit dieser wettergegerbten Haut, die man durch viel Arbeit an der frischen Luft bekommt. Er kleidete sich gut, wenn auch etwas konservativ. Lily fühlte sich wohl in dieser Beziehung, die sie in den letzten Jahren aufgebaut hatten. Einen Begleiter, Liebhaber und Freund in Broome zu haben, Zeit füreinander zu finden, das war eine willkommene Abwechslung gegenüber ihrem arbeitsreichen Beruf und dem Singleleben in Sydney.
     
    Das weiche Licht des frühen Abends verlieh dem auffälligen rot-schwarzen Eingangsbereich von Pauline Despar Designs eine dramatische Note. In schlichten goldenen Lettern hieß es auf dem Schaufenster lediglich »Perlen und Muschelschmuck«. Der alte Perlenschuppen an der Dampier Terrace war in einen eleganten, kreativ gestalteten Ausstellungsraum umgewandelt worden, der den Zauber der hiesigen Perlenfischerei einfing. Passend zur Lage in Broome war der Raum mit Unterwassermotiven dekoriert: ein Teil eines Schiffswracks, das Modell eines Tiefseetauchers mit Helm, Hunderte prächtiger Muscheln, und die Wände waren mit glänzender blauer Seide ausgeschlagen. Der Wert der legendären Perlen aus Broome und der erlesenen Schmuckstücke aus irisierendem Perlmutt in den Schaukästen und an den schönen jungen Models ging in die Millionen. Das alles war das Werk einer jungen einheimischen Schmuckdesignerin.
    Tiffany wäre grün und gelb vor Neid, dachte Bertrand Shears, der Geschäftsführer, als er nun bei der Eröffnung den Cocktailzirkus betrachtete. Für ihn war die Arbeit hier ein Traum. Als älterer Mann mit viel Erfahrung in der Leitung und Vermarktung von Großstadtgeschäften, als jemand, der Klasse zu schätzen wusste, fühlte er sich hier wohl. Die Tatsache, dass Broome zugleich seine Heimatstadt war, stellte eine Dreingabe dar. Es war an der Zeit, so argumentierte er, dass sich die rauen Seiten des alten Broome abschliffen und die Stadt den Tausenden von Touristen, die an diesen entlegenen Flecken an der westaustralischen Küste reisten, etwas mehr Stil bot. Lord McAlpine hatte Ende der 1980 er-Jahre mit einem geschmackvollen Luxusresort am Cable Beach den Ton vorgegeben. Anfangs hatte man den britischen Aristokraten mit seinem Unternehmergeist als »verrückt« abgestempelt, doch sein Erfolg hatte das Attribut rasch in »geschäftstüchtig« umgewandelt. Heute stand Broome auf den Reiserouten der High-society aus aller Welt, und so sprangen die führenden Perlenunternehmen auf diesen Zug auf und eröffneten elegante Ausstellungsräume.
    Doch Pauline war anders, und sie wurde heiß gehandelt. Alle Stücke, die bei der Vernissage keinen Käufer fanden, würde man in einem exklusiven Geschäft auf El Paseo im kalifornischen Palm Desert anbieten. Bertrand sah sich schon eines Tages zwischen den großen Juwelieren der Welt hin und her reisen, um Paulines Kreationen vorzuführen, die sich durch die begehrtesten Perlen der Welt auszeichneten. Und natürlich wusste er, dass Perlen den Edelsteinen im neuen Jahrtausend den Rang abliefen.
    »Geschaffen von der lebendigen Natur, meine Liebe«, schwärmte Bertrand einer älteren Dame vor, die schwarze Kleidung und Diamanten trug. »Denken Sie nur an all die kleinen
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