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Die Pension Eva

Die Pension Eva

Titel: Die Pension Eva
Autoren: Andrea Camilleri
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dass sich die erwachsenen Männer in der Pension Eva damit zufriedengeben, die nackten Frauen einfach nur anzuschauen? Oder machen sie, was Angela und ich machen? Oder etwas ganz anderes, was ich noch nicht kenne?
     
    Über das andere, was er noch nicht kannte, belehrte ihn eines Tages der Pfarrer, zu dem er zur Vorbereitung auf die erste heilige Kommunion geschickt wurde. Nenè ging später als die anderen Kameraden zur Kommunion: Seine Mutter hatte Papà lange überreden müssen, denn er hatte etwas dagegen. Er wollte mit der Kirche nichts zu tun haben.
    Samstags nach der Faschistenversammlung ging Nenè in seiner Jungmatrosenuniform zu Padre Nicolò in die Sakristei, wo dieser ihm den Katechismus erläuterte.
    Als Padre Nicolò zu dem Gebot kam, das besagt, man solle keine unkeuschen Dinge tun, weder allein noch mit jemand anderem, wusste Nenè sofort, dass das, was seine Cousine und er auf dem Dachboden taten, gegen ebendieses Gebot verstieß. Als Strafe drohte die ewige Hölle – mit Teufeln, Feuer und Pech. Nenè erschrak gewaltig.
    Sie hatten eine Todsünde begangen. Damit war nicht zu scherzen. Aber wie war es möglich, dass Angela, die doch zwei Jahre älter war als er und schon vor langer Zeit zur Kommunion gegangen war, nichts davon gewusst hatte? Warum hatte sie ihm nichts gesagt?
    Verstört ging er nach Hause.
    Um die heilige Kommunion zu empfangen, würde er nicht mehr mit Angela auf den Dachboden dürfen. Aber es war doch so schön! Und dann fragte er sich, wieso der Pfarrer eigentlich davon zu wissen brauchte.
     
    Am folgenden Tag, es war Sonntag, machten Angela und Nenè mit der Familie einen Ausflug auf das Landgut des Großvaters. Zum Mittagessen gab es Pasta mit Käse überbacken, Zicklein im Rohr und Wein, und danach waren alle so erschöpft, dass sie sich erst einmal ausruhen mussten. Angela und Nenè versteckten sich in einem Strohschober. Dort konnte man sich zwar in Ruhe unterhalten, aber für Doktorspiele war es nicht der geeignete Ort, weil jeden Augenblick einer der Landarbeiter vorbeikommen konnte.
    »Weißt du eigentlich, dass wir auf dem Dachboden schmutzige Dinge tun und dass das eine Todsünde ist?«, sagte Nenè hastig.
    »Wer sagt das?«, fragte Angela ungerührt.
    »Padre Nicolò hat es mir gestern gesagt.«
    »Da irrt er sich. Wir beide spielen nur. Schmutzige Dinge tun nur erwachsene Männer und Frauen.«
    Nenè dachte einen Augenblick über Angelas Worte nach und sagte dann:
    »Das heißt, wenn wir nur spielen, brauche ich dem Pfarrer auch nichts davon zu erzählen?«
    »Nein. Dem Pfarrer kannst du ohnehin erzählen, was du willst, der kann doch gar nicht wissen, was stimmt und was nicht.«
    Plötzlich kam ihm Angela verändert vor, sie wirkte so erfahren und so erwachsen. Er konnte gar nicht glauben, dass sie nur zwei Jahre älter war als er.
    »Gehen wir morgen wieder auf den Dachboden?«
    »Natürlich.«
     
    Am nächsten Tag, als er sich aufs Sofa legte und Angela sich auszuziehen begann, war er mit einem Mal verlegen. Es war ihm plötzlich peinlich, sich auszuziehen. Was war los mit ihm? Wieso schämte er sich? Wieso empfand er Scheu, auch wenn Angela inzwischen selbst schon nackt vor ihm stand? Wahrscheinlich war das alles die Schuld dieses verdammten Pfarrers, der ihm einredete, dass ihre Spiele Sünde waren.
    »Was ist los, bist du zur Salzsäule erstarrt, oder was?«, fragte Angela ungeduldig.
    Schließlich zog er sich doch aus und ließ sich von seiner Cousine berühren, aber er empfand nichts dabei. Es gab da eine Frage, die er Angela unbedingt stellen wollte. Sie kannte sich ja in diesen Dingen offenbar besser aus als er.
    Als sie eine kurze Pause einlegten, setzten sie sich eng nebeneinander aufs Sofa. Da dachte Nenè, der richtige Augenblick sei gekommen, und fragte:
    »Weißt du, was es bedeutet, Unzucht zu treiben?«
    Angela lachte laut auf.
    »Was ist denn?«, fragte Nenè verwirrt.
    »Ich lache über diesen Ausdruck: Unzucht treiben! Das sagen vielleicht die Geistlichen, weil es so in der Bibel steht, aber die Erwachsenen sagen etwas anderes dazu.«
    »Wie sagen die denn dazu?«
    »Das ist ein unanständiges Wort.«
    »Was sagen sie?«
    »Vögeln. Aber das darfst du nicht zu Hause sagen, sonst gibt deine Mutter dir eine Ohrfeige. Und wenn’s dir trotzdem rausrutscht, dann sag bloß nicht, dass du es von mir hast!«
    »Vögeln« kam ihm wirklich unanständig vor, es hörte sich ungeheuer schweinisch an.
    »Kann man nicht auch anders dazu sagen?«
    »Man kann
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