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Die Pension am Deich: Frauenroman

Die Pension am Deich: Frauenroman

Titel: Die Pension am Deich: Frauenroman
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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leichter gewesen, sich abzunabeln. Dafür ist diese Zeit der Auseinandersetzung doch gedacht.
    Ach Monika, es haben dich alle um euren Frieden, um deine netten Kinder beneidet. Jetzt schieb ihnen nicht den Schwarzen Peter in die Schuhe. Will sie auch nicht. Sie möchte einfach nur verstehen, was passiert ist.
    Im letzten Sommer sind Jana und Jonas nach Marburg gezogen. Knall auf Fall. Dass sie nicht an der Uni in Hannover studieren wollten, kam völlig überraschend. Sie waren so häuslich, so anhänglich. Vielleicht mussten sie exakt aus dem Grund in eine andere Stadt ziehen. Aber das war wie eine abrupte Windstille, ein Sonnenuntergang ohne Dämmerung. Plötzlich bestand das Haus aus zu vielen Zimmern. Zimmer, die leer standen und warteten. Genau wie sie. Dabei hatte sie sich auf diese Zeit ohne Kinder gefreut. Früher. Wenn sie vom vielen Organisieren müde war. Dann hatte sie die Jahre gezählt und ausgerechnet, wie alt sie sein würde, wenn die Zwillinge mit der Schule fertig wären. Dreiundvierzig. Die Zahl hatte sie beruhigt. Das war noch nicht so alt. Und sie stellte sich vor, was sie alles unternehmen könnte. Vielleicht sogar studieren. Oder den ganzen Jahresurlaub nehmen und mit Frank verreisen. Mit einem Wohnwagen, immer der Nase nach.
    Aber als die beiden ohne Vorwarnung aus dem Haus gingen, hinterließen sie keine Aufbruchstimmung. Monika fühlte sich wie gelähmt. Frank war ihr keine Hilfe. Er verweigerte Gespräche über die veränderte Situation. Gespräche hatte es auch vorher wenig gegeben. Das war ihr nur nie so aufgefallen.
    Der Kaffee ist kalt geworden. Monika gießt ihn in den Ausguss und schenkt sich einen frischen ein. Erneut wandert ihr Blick aus dem Fenster. Ihre Nachbarin ist gerade mit dem Briefkasten beschäftigt. Ihre Bewegungen sind traumwandlerisch sicher. Sie lässt sich nicht ablenken und weiß immer den nächsten Handgriff in Voraus. Monika ertappt sich dabei, sie zu beneiden. Ein Leben ohne Höhen und Tiefen und ohne Verletzungen.
    Da unterbricht ihre Nachbarin für einen Augenblick ihren gewohnten Arbeitsrhythmus. Sie lässt den Lappen in den Eimer sinken und zupft ein paar vertrocknete Blätter aus einer Staude. Sie bleibt stehen und blinzelt in die Sonne. Dann greift sie wieder nach dem Putztuch und beginnt, die Stufen zu wischen.
    Das Telefon klingelt. Monika wendet den Kopf zum Flur und lauscht. Als müsste sie erst orten, woher das Geräusch kommt und verstehen, was es zu bedeuten hat. Beim vierten Klingeln setzt sie sich schwerfällig in Bewegung und nimmt den Hörer ab.
    »Hallo, hier ist Frank.«
    Wann hat er sie das letzte Mal aus dem Büro angerufen? Das war vor einem Jahr, als Jana und Jonas in den Abiturprüfungen steckten. Frank hatte es bis zum Feierabend nicht ausgehalten und zwischendurch nachgefragt. Besorgte Eltern, beide auf dem gleichen Gleis. Das war eine schöne Zeit, denkt Monika.
    Im nächsten Augenblick überfällt sie ein Anflug von Panik. Warum ruft er mich an? Das muss einen Grund haben. Frank meldet sich nicht einfach so zwischendurch. Das passt nicht zu ihm. Ist er misstrauisch geworden? Unsinn, bleib ruhig, mahnt sie sich streng. Wer sollte ihm etwas erzählt haben? Und wenn schon. Was sollten das für Geschichten sein? Sie braucht kein schlechtes Gewissen zu haben. Sie hat sich nichts vorzuwerfen. Es hat alles nur in ihrem Kopf stattgefunden. Fast alles. Aber ihre Beschwichtigungsformeln wirken nicht. Sie ist angespannt, als hätte sie eine Affäre gehabt.
    »Ich habe eine Überraschung für dich. Morgen fahren wir in eine kleine Pension. An die Nordsee. Na, was sagst du?«, hört sie Franks Stimme in einem unverfänglichen Plauderton. Monika ist sich nicht sicher, ob sie ihn richtig verstanden hat. Sie ist in den vergangenen Wochen zu oft in Gedanken gewesen.
    »Du wolltest doch mal an die Nordsee«, setzt Frank nach, weil sie nicht reagiert. »Und ich konnte spontan ein paar Tage Urlaub nehmen.«
    Spontan, klingt es in Monikas Kopf nach. Er will also wirklich mit ihr an die See fahren. Im April. Spontan. Wenn sie ihr häusliches Leben geplant hatte, dann nur aus der Notwendigkeit heraus. Frank ist von Natur aus ein Planungsfreak. Und nun lädt er sie zu ein paar Urlaubstagen ein. Einfach so. Ausgerechnet zwei Tage später.
    Zu spät, denkt Monika verzweifelt. Warum jetzt? Weiß er Bescheid und gibt sich Mühe? Ist diese Einladung so etwas wie eine Werbung, weil er Angst hat, sie zu verlieren?
    Sie zwingt sich, obwohl er sie nicht sehen kann, zu
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