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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
Autoren: Alison Croggon
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neben einem Pferd einher-trabte. Als sich das seltsame Dreiergespann näherte, umfasste Kälte das Herz des Hirten. Seine Augen mochten nicht mehr die besten sein, dennoch erkannte er einen Wolf, wenn er einen sah. Er begann zu bedauern, sich so nah an die Straße herangewagt zu haben, auch wenn der schöne Tag dazu eingeladen hatte. All die Gerüchte, die er über unheimliche Ereignisse, über böse Kreaturen und dunkle Hexer gehört hatte, fluteten schlagartig in seinen Kopf. Sollte ihm etwas geschehen, würde seine Frau es nie erfahren; und sie wäre dann ganz allein, denn ihr Sohn hatte den Weiler auf der Suche nach einem besseren Leben verlassen. In der Hoffnung, unbemerkt zu bleiben, kauerte sich der Hirte zu Boden und hielt den Atem an, als die Hufschläge näher und näher kamen. Zu seinem Erschrecken wurden sie schließlich langsamer und hielten dann ganz an.
    »Wo ist er, Maerad?«, hallte die Stimme eines Mannes deutlich durch die kalte Luft, obwohl er leise sprach.
    Trotz seiner entsetzlichen Furcht war der Hirte verwirrt: Mit wem redete der Fremde? Er hatte niemanden bei ihm gesehen. Unterhielt er sich mit den Geistern der Luft, wie es die schwarzen Hexen angeblich taten? Dem Hirten stockte der Atem, und er drückte sein Reisigbündel so fest an die Brust, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten.
    »Da drüben, glaubst du?«
    Der alte Mann hörte, wie der Reiter abstieg und auf ihn zuzugehen begann. Der Hirte ließ das Feuerholz mit einem Klappern fallen, das wie ein Donnerschlag für ihn klang, und wandte sich zur Flucht, stolperte jedoch über ein Grasbüschel und fiel hin. Als er sich auf die Hände und Knie hochrappelte, sah er sich von Angesicht zu Angesicht dem Wolf gegenüber. Unwillkürlich verbarg er das Gesicht in den Händen, damit er den eigenen Tod nicht mit ansehen musste.
    Doch er spürte nicht, wie die Zähne des Wolfes sich in seinen Hals gruben, wie er es erwartet hatte. Stattdessen sprach der Fremde mit ihm. Anfangs war der Hirte zu verängstigt, um zu verstehen, was er sagte.
    »Ich bitte um Verzeihung«, sprach der Fremde. »Ich schwöre beim Licht, dass wir Euch nichts antun wollen.«
    Langsam löste der Hirte die Hände vom Gesicht. Der Wolf war nicht mehr zu sehen. Stattdessen stand der Fremde vor ihm und streckte ihm die Hand entgegen. Er half dem alten Mann auf die Beine und wischte ihm behutsam das Wams ab. Dann hob er schweigend das Feuerholz auf und legte es in die Arme des Hirten. Der alte Mann gelangte wieder zu Atem. Der Blick des Fremden wirkte freundlich, doch er hatte noch etwas anderes an sich, eine gewisse Anmut, die den Hirten an bessere Tage erinnerte. Es war lange her, seit man zuletzt seinesgleichen in dieser Gegend gesehen hatte.
    Er bedankte sich bei dem Fremden feierlich auf die formelle Weise, die er früher einem Barden entgegengebracht hätte, der ihn geheilt oder für ihn die Frühlingsriten über einer Ernte gesprochen hatte. Sein Gegenüber bedachte ihn mit einem scharfen Blick.
    »Es ist viele Jahre her, dass ich hier in der Gegend einem Barden begegnet bin«, sagte der alte Mann. Nun, da seine Furcht verflogen war, suchte er das Gespräch. »Es gibt wenig Grund, herzukommen«, meinte der Fremde. Ihre Blicke trafen sich, und sie wandten gleichzeitig die Augen ab, als hätte jeder im Gesicht des anderen eine Traurigkeit gesehen, die er nicht anzusprechen wünschte.
    »Bedeutet das, die Schule von Pellinor kehrt zurück? Wird es hier wieder Barden geben?«
    Der Barde zögerte. »Ich weiß es nicht«, antwortete er schließlich.
    Der Hirte verlagerte das Feuerholz auf seinen Armen, da es ihm allmählich schwer wurde. »Ich hoffe es jedenfalls«, verriet er. »Seit sie fort sind, ist das Leben hart. Die Winter sind schlimm, die Lämmer werden missgebildet geboren, und auch alles andere ist schlechter geworden.«
    »Ja«, pflichtete der Barde ihm bei, »vieles, und nicht nur hier. Es sind für viele Menschen harte Zeiten.«
    Der Hirte nickte und zog unglücklich die Nase hoch. Doch dann streckte der Fremde die Hand aus und berührte kurz seine Stirn, und einen Lidschlag lang fühlte es sich an, als ginge dort eine sanfte Sonne auf und breitete ihre goldene Wärme durch seinen gesamten Körper aus.
    »Möge das Licht mit dir sein«, sagte der Barde.
    »Und mit Euch«, erwiderte der Hirte, wie es sich gehörte. Er beobachtete, wie der Fremde zu seinem Pferd zurückging, das geduldig auf der Straße auf seinen Reiter wartete. Der weiße Wolf saß daneben
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