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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin
Autoren: Aufbau
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tastenden Fingern nach der Öffnung der Gebärmutter. Sie fand die
     Stelle und fühlte, daß sie von den langen Stunden nutzloser, ergebnisloser Wehen verkrampft und geschwollen war. Mit dem Nagel
     des rechten Zeigefingers, den sie sich zu diesem Zweck besonders lang hatte wachsen lassen, zerrte Hrotrud an dem widerspenstigen
     Gewebe. Gudrun stöhnte auf; dann wurde ihr Körper vollkommen schlaff. Warmes Blut strömte Hrotrud über die Hand, den Arm hinunter
     und aufs |15| Bett. Dann, endlich, spürte sie, wie die Öffnung sich erweiterte. Mit einem leisen Jubelschrei griff Hrotrud sanft hinein
     und bekam den Kopf des Ungeborenen zu fassen. Ganz vorsichtig drückte sie ihn hinunter.
    »Packt ihre Schultern und drückt sie in meine Richtung«, wies Hrotrud den Dorfpriester an, dessen Gesicht nun ziemlich bleich
     geworden war. Dennoch gehorchte er: Hrotrud spürte, wie der Druck stärker wurde, als die Kraft des Mannes zu der ihren hinzukam.
     Nach einigen Minuten konnte sie fühlen, wie das Ungeborene sich bewegte. Beharrlich zog Hrotrud an dem winzigen Leib, vorsichtig
     darauf bedacht, die weichen Knochen an Kopf und Hals nicht zu verletzen. Endlich erschien der Kopf des Kindes, von dichtem,
     nassem Haar bedeckt. Behutsam zog Hrotrud den Kopf aus dem Leib der Mutter; dann drehte sie den Körper ein wenig zur Seite,
     um zuerst der linken, dann der rechten Schulter den Durchgang zu ermöglichen. Ein letzter kräftiger Ruck, und der kleine nasse
     Körper glitt in Hrotruds wartende Hände.
    »Ein Mädchen«, verkündete die Hebamme. »Und ein gesundes und kräftiges obendrein, so wie’s aussieht«, fügte sie hinzu, nahm
     mit Zufriedenheit den kräftigen Schrei des Neugeborenen zur Kenntnis und betrachtete wohlgefällig die rosige Haut.
    Sie wandte sich dem Dorfpriester zu – und blickte in dessen mürrisches Gesicht.
    »Ein Mädchen«, sagte er abfällig. »Also war alles für die Katz.«
    »So etwas solltet Ihr nicht sagen, Herr.« Hrotrud hatte plötzlich Angst, daß der Dorfpriester ihr aus Enttäuschung weniger
     Lebensmittel als Lohn geben könnte. »Das Kind ist kräftig und gesund. Gott hat ihr das Leben geschenkt, auf daß sie Eurem
     Namen Ehre mache.«
    Der Dorfpriester schüttelte den Kopf. »Sie ist eine Strafe Gottes. Eine Strafe für meine Sünden – und die ihren.« Er zeigte
     auf Gudrun, die regungslos dalag. »Wird sie überleben?«
    »Ja.« Hrotrud hoffte, daß ihre Stimme sich überzeugt anhörte. Sie konnte es sich nicht leisten, daß der Dorfpriester auf den
     Gedanken kam, womöglich gleich zweimal enttäuscht zu werden. Sie hoffte immer noch, heute abend ein saftiges Stück Fleisch
     zwischen die Zähne zu bekommen. |16| Außerdem bestanden ja
tatsächlich
begründete Aussichten, daß Gudrun überlebte. Sicher, es war eine schwere Geburt gewesen. Nach einer solchen Tortur erkrankten
     viele Frauen an Fieber und Auszehrung. Doch Gudrun war stark, und Hrotrud würde sie mit einer Wundsalbe aus Fuchsfett und
     Beifuß behandeln. »Ja«, wiederholte sie mit fester Stimme. »Wenn es Gottes Wille ist, wird sie überleben.« Hinzuzufügen, daß
     Gudrun wahrscheinlich nie mehr Kinder bekommen konnte, hielt Hrotrud nicht für erforderlich.
    »Na, wenigstens das«, sagte der Dorfpriester. Er trat ans Bett und blickte auf Gudrun hinunter. Dann streichelte er ihr sanft
     über das weißgoldene Haar, das jetzt dunkel vom Schweiß war. Für einen Augenblick glaubte Hrotrud, der Dorfpriester würde
     seine Frau küssen. Dann aber veränderte sich plötzlich sein Gesichtsausdruck; er blickte ernst, ja zornig drein.
    »Per mulierem culpa successit«
, sagte er. »Durch eine Frau entstand die Sünde.« Er ließ Gudrun die schweißnasse Haarsträhne auf die Stirn fallen und trat
     zurück.
    Hrotrud schüttelte den Kopf. Was war das denn für ein Spruch?
Irgendwas aus dem heiligen Buch, kein Zweifel.
Der Dorfpriester war wirklich ein seltsamer Mann; aber das sollte ihr egal sein, dem Himmel sei Dank. Sie machte sich eilig
     daran, Gudruns Körper von Blut und Fruchtwasser zu säubern, damit sie sich noch bei Tageslicht auf den Nachhauseweg machen
     konnte.
    Gudrun schlug die Augen auf und sah den Dorfpriester neben dem Bett stehen. Der Anflug eines Lächelns gefror ihr auf den Lippen,
     als sie den Ausdruck in seinen Augen sah.
    »Was ist, mein Gemahl?« fragte sie zögernd.
    »Ein Mädchen«, erwiderte der Dorfpriester mit kalter Stimme und gab sich gar nicht erst die Mühe, sein Mißfallen zu
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