Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin
Autoren: Colin Falconer
Vom Netzwerk:
zu erfahren, wie Derartiges wohl zu erreichen sei.
    Kurz gesagt – sie schien mir, dem Mönch, ein größeres Rätsel zu sein als Gott, und das verbotene Vergnügen, das ich beim Anblick ihres Gesichts empfand, wühlte mich tiefer auf als das Antlitz unseres Herrn am Kreuz.
    Damit verglichen waren all die Sünden, die noch folgten, absolut bedeutungslos.
    Ich bemerkte mit einem Mal, dass ich sie unverhohlen anstarrte.
    »Nun denn«, hob ich schließlich an. »Euer Vater berichtet mir, dass Ihr Euer Leben in den Dienst Gottes zu stellen gedenkt.«
    Sie antwortete nicht sofort, und ich wollte sie schon rügen, als sie schließlich sagte: »Ich glaube, dass Gott dies von mir erwartet.«
    Ich wärmte meine Beine am Feuer, nippte an dem Wein und ließ mich dann auf einem Stuhl nieder. Nun, da das Gespräch begonnen hatte, fühlte ich mich ein wenig sicherer. Von den Geschichten über Märtyrerinnen und Heilige wie Agnes und Agathe sind schon viele junge Frauen beeinflusst worden, denn das weibliche Geschlecht ist ja für seine hysterischen Auswüchse bekannt. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass ein Mann mit meiner Ausbildung und meinem Geist Madeleine von derartigen Vorstellungen befreien konnte. Sogar zu diesem Zeitpunkt war ich noch davon überzeugt, dass ich trotz meiner sündigen Gedanken das Desaster in einen Triumph verwandeln und meine Aufgabe erfüllen konnte, ohne dass Makel auf meiner Seele zurückblieben. Ich würde dieses Haus in dem Wissen verlassen, dass ich einen Sieg über das Böse errungen hatte.
    »Wie kann es sein, dass eine Jungfrau wie Ihr den Willen Gottes kennt, während sich Gelehrte seit Jahrhunderten mit den göttlichen Wegen beschäftigen, und unter ihnen noch immer Uneinigkeit herrscht?«, fragte ich sie. »Das Göttliche kann nur der Heilige Vater in Rom wirklich verstehen, und sogar seine Heiligkeit bekundet gelegentlich Verwirrung.«
    Sie gab keine Antwort.
    »Nun – heraus mit der Sprache, mein Kind!« Ich hätte sie vielleicht nicht ›Kind‹ nennen sollen, denn ich hatte ihr nur wenige Jahre voraus.
    Sie hob den Blick. Die Wut und Leidenschaft in ihren Augen raubten mir den Atem und verursachten eine Regung in meinen Lenden, die ich durch jahrelanges Beten und Arbeiten beinahe vollständig vertrieben hatte. Sie biss sich auf die Lippen. Ich glaube nicht, dass sie mich mit ihren Gesten in die Falle locken wollte. Vielmehr versuchte sie zu verhindern, in meiner Gegenwart über gewisse Dinge zu sprechen.
    Inzwischen weiß ich natürlich, warum.
    »Haltet Ihr es als Mann Gottes für falsch, dass ich mein Leben dem Dienst an Gott widmen möchte?«, wollte sie wissen, wobei die Sanftheit ihres Tonfalls nicht mit ihrem Gesichtsausdruck übereinstimmte.
    Auf diese Frage gab es eine einfache Antwort, aber ihr Blick irritierte mich. Einen Moment lang konnte ich gar nichts sagen. Als ich meine Stimme wiederfand, erinnerte ich sie daran, dass es nicht genüge, Gott zu lieben. Vielmehr müsse man eine ausreichend robuste und hingebungsvolle Disposition haben, um fähig zu sein, ihm wirklich zu dienen.
    »Ihr meint so wie Bischof Guillaume?«, erkundigte sie sich scheinbar demütig. Erneut brachte mich dieses schreckliche Mädchen aus dem Gleichgewicht, denn die weltliche Gesinnung des Bischofs war in der Stadt wohl bekannt, auch wenn man nicht öffentlich darüber sprach.
    Wenigstens besaß ich noch die Geistesgegenwart für eine Erwiderung. »Ihr habt doch sicherlich nicht vor, Bischof zu werden, oder?«
    »Ich glaube nicht, dass ich die Kraft dazu hätte. Nach einer Woche wäre ich erschöpft von all der Zecherei und Unzucht.«
    »Das ist Blasphemie!«, stieß ich keuchend hervor. Die Kontrolle über diese Unterredung war mir bereits entglitten. Madeleine war lediglich die Tochter eines Steinmetzes, doch ihre Zunge war so scharf wie das Beil eines Henkers. Was sollte ich bloß mit ihr anfangen?
    Zumindest besaß sie genug Anstand, ihren Blick zu senken und sich den Anschein von Zerknirschtheit zu geben. »Es tut mir Leid, Vater. Manchmal sitzt mir die Zunge ein wenig zu locker.«
    »Es ist mehr als deutlich, dass Ihr keine der nötigen Voraussetzungen für das Klosterleben erfüllt«, schalt ich sie. »Gehorsam und Fügsamkeit sind die Grundsteine der Ordensregeln. Großer Wert wird zudem auf Gelassenheit und Demut gelegt, und wenn Ihr außerstande seid, Eure Zunge im Zaum zu halten, dann ist mir völlig unklar, welchen Dienst Ihr Gott erweisen könntet.«
    Sie ließ den Kopf hängen. Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher