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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin
Autoren: Colin Falconer
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Fällen führten schon allein diese Erwartungen dazu, dass ich befördert wurde.
    Auch Hochmut zählt zu meinen Fehlern. Daher sollte ich meinen Werdegang nicht weiter ausbreiten und nur noch hinzufügen, dass meine Zukunft innerhalb des Ordens gesichert war, bis Madeleine de Peyrolles in mein Leben trat. Als ich sie kennen lernte, hatte ich bereits über die Hälfte meines Lebens mit theologischen Studien und Betrachtungen zugebracht und war zum persönlichen Assistenten des Priors ernannt worden. Ich hatte mich um die Verwaltung unserer Gebäude und Geldmittel hier in der Stadt zu kümmern.
    Eben deshalb fand ich mich einige Wochen später im Kreuzgang unseres Priorats wieder. Ich führte dort ein weiteres Gespräch mit Anselm de Peyrolles.
     
    *
     
    Der Steinmetz war ein Mann mit beeindruckenden körperlichen Attributen. Ich habe ihn einmal einen Stein hochheben sehen, mit dem sich zuvor drei seiner Arbeiter vergeblich abgemüht hatten. Dennoch vermochten diese Hände, deren Haut so dick, ledrig und voller Schwielen war, Lilien und Weinblätter auf Kapitelle zu zaubern. Er vollbrachte dieses Wunderwerk mit einer Leichtigkeit, als forme er weichen Ton. Seine Stimme klang tief und hallte wie eine Trommel. Seine Unterarme waren so kräftig wie die eines Henkers. Trotz alledem erkannte ich in ihm einen sanftmütigen Mann, der nur selten die Hand gegen seine Frau oder seine Diener erhob. So mancher legte ihm dies als Schwäche aus, doch das schien ihn nicht weiter zu stören.
    Wir waren mit unserer Besprechung am Ende. Die Umbauten und Reparaturen schritten zügig voran und sollten Anselms Berechnungen zufolge tatsächlich im Herbst abgeschlossen sein. Ich händigte ihm den Wochenlohn aus, den er wiederum an seine Arbeiter verteilen wollte. Es handelte sich um eine stattliche Summe. Unser Orden konnte auf viele Wohltäter zählen, und ihm stand daher viel Geld zur Verfügung.
    Ich hatte vor, mich zu verabschieden und mich wieder meinen Pflichten zuzuwenden. Ich war damit betraut worden, die Oblaten, unsere zukünftigen Mönche, in der Kunst der Rhetorik zu unterrichten. Doch dann merkte ich, dass Anselm mir noch etwas zu sagen wünschte.
    »Vater …«, murmelte er in seinen Bart. »Da gibt es noch etwas … Ich frage mich, ob Ihr mir vielleicht einen Gefallen tun könntet.«
    »Falls es in meiner Macht steht«, erwiderte ich und nahm an, dass er sich für eine seiner Sünden eine besondere Dispens erhoffte. Leider war es keineswegs ungewöhnlich, dass skrupellose Geistliche den Büßern gerade für jene Sünden die Absolution verweigerten, die ihnen am schwersten auf dem Gewissen lasteten. Sie hofften, ihnen dadurch mehr Geld für die Lossprechung zu entlocken. Für einen Ehebruch verlangten solche Priester von einem Bauern zwei oder drei Sol und von einem Mann wie Anselm, der es sich leisten konnte, zwanzig oder dreißig Sol. Vielleicht wusste er, dass ich niemandem die Gnade Gottes verweigern würde, sofern er wirklich bereute.
    »Es geht um meine Tochter«, fuhr er fort, und mein Herz erbebte.
    »Eure Tochter?«
    »Ihr habt sie einmal getroffen, Vater. Ihr Name ist Madeleine. Sie ist eine gute Tochter, sie ist tugendsam und der Kirche sehr zugetan.«
    »Wenn doch alle Menschen so gesegnet wären!«
    Er runzelte die Stirn.
    »Was ist denn nun Euer Begehr?«, fragte ich.
    »Ich fürchte, dass sie der Kirche ein wenig zu sehr zugetan ist.«
    Ich hatte Mühe, ihn inmitten des Lärms der hämmernden Meißel rings herum zu verstehen. »Können wir unserer Kirche denn überhaupt zu sehr zugetan sein, Anselm?«
    »Ihr kennt mich, Vater, ich bin ein einfacher Mann, ich verstehe nichts von diesen Dingen. Die Fertigkeiten, die Gott mir in seiner Weisheit gegeben hat, stelle ich in den Dienst der Kirche, wann immer ich kann. Aber es gibt einige Dinge …«
    Langsam schwand meine Geduld. Er erkannte dies wahrscheinlich an meiner Miene, denn im nächsten Augenblick stieß er hervor: »Madeleine möchte sich Gott weihen. Sie hat den Wunsch geäußert, die Gelübde abzulegen und als Nonne nach den Ordensregeln zu leben. Würdet Ihr mit ihr sprechen, Vater?«
    Ich glaubte, den Schatten des Höllenfürsten vor uns auf dem Gras zu sehen, und zitterte trotz der Wärme des Tages.
    »Zu welchem Zweck?«
    »Ihr seid ein Mann Gottes. Ihr versteht etwas von diesen Dingen.«
    »Ihr möchtet, dass ich Eurer Tochter diesen Wunsch ausrede?«
    »Ja, das möchte ich.«
    »Das ist völlig unmöglich!«, erwiderte ich schnell und wandte mich ab,
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