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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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ab, und mit ihrer blassblauen Haut schimmerten sie im Dämmerlicht Niflheims wie gigantische Eisklumpen.
    Immer enger schlossen sie den Kreis um Vili und Ve. Odin aber, der seine göttliche Kraft stärker fühlte als je zuvor, warf lodernde Feuerkugeln in die Menge der Riesen und sprengte sie auseinander. Und jetzt erwachten auch seine Brüder aus ihrer Starre und taten es ihm gleich.
    Einen Moment schien es, als ob die Götter nun endlich die Oberhand gewinnen würden, da beschworen die Riesen meterhohe Eiswände aus dem Boden herauf, die die Götter einzuschließen drohten. Doch Odin, Vili und Ve sandten glühende Strahlen aus ihren Händen, die das Eis schmolzen. Nach und nach lernten die Götter, immer besser mit ihren eigenen Kräften umzugehen, bald gelang es ihnen ebenso gut wie den Riesen, Stürme zu entfesseln, Hagelflüche zu sprechen und die Elemente zu beherrschen. Egal, was ihre Gegner taten, die Götterbrüder fanden eine Erwiderung.
    Lange tobte der Kampf, und der Lärm der Schlacht zwischen Riesen und Göttern wurde immer lauter. Schließlich drang er sogar bis zum Ohr des schlafenden Ymir.
    »Äh... laut ... äh... Ymir kann nicht schlafen ...«
    Mit einem Geräusch, als risse die Erde auf, erhob sich der Urriese und stapfte zum Schlachtfeld.
    Die Reifriesen triumphierten, als sie ihren Urvater sahen.Drohend wie eine Gewitterfront überschattete er die Kämpfenden.
    »Ymir, leg dich wieder schlafen, das hier geht dich nichts an.« Odin winkte den Giganten wie ein lästiges Kind zur Seite. »Mach schon, dummer Riese, verschwinde. Du brauchst zu viel Platz.«
    Und schon stürzte Odin sich wieder auf seinen Gegner.
    Ymir aber bewegte sich nicht von der Stelle. Langsam dachte er über Odins Worte nach. Riesen mögen zwar langsam denken, aber beleidigen lassen sie sich genauso ungern wie Götter. Und während Ymir nachdachte und immer mehr verstand, wie sehr er beleidigt worden war, wuchs sein Zorn und damit auch er selbst. Immer größer, immer höher und breiter wurde der Urriese, und Odin, Vili und Ve rannten um ihr Leben, um nicht von seinem gigantischen Körper zerquetscht zu werden.
    »Wenn der so weiterwächst, dann können wir den Bauplatz vergessen«, sagte Odin, nachdem sie auf den höchsten Berg Niflheims hinaufgestiegen waren, um das Aufquellen des Riesen aus sicherer Entfernung zu beobachten.
    »Er muss verschwinden.« Odin legte beide Hände wie einen Trichter an seinen Mund und rief: »Zieh dich wieder zusammen und geh, dann soll es zwischen Göttern und Riesen Frieden geben. Tust du es nicht, wirst du meinen Zorn spüren. Denn ich bin ein Gott. Übrigens der weiseste.«
    Ymir legte seinen riesigen Kopf zur Seite und lachte, dass ganz Niflheim davon widerhallte.
    »Hahahahaha... äh ... Du ... Ymir ... drohst? Haha ... Ymir ... bleibt!«
    Und der Riese wuchs weiter.
    Odin kniff die Augen zusammen und ballte die Fäuste und hielt plötzlich einen Eiszapfen in der Hand, der so lang und so spitz war wie ein Speer. Diesen Eiszapfen warf er so geschickt, dass er den Urriesen mitten ins Herz traf. Ymir sah den jungen Gott einen Moment erstaunt an, dann schloss er die Augen und fiel krachend zu Boden, dass die Erde bebte.
    Aus Ymirs Wunde stürzte blaues, kaltes Blut und floss über das Eis. So viel Blut quoll aus dem toten Riesen, dass sich kleine Bäche bildeten, dann Flüsse und schließlich eine Flutwelle, die ganz Niflheim überschwemmte. Höhlen liefen voller Blut, Berge wurden unterspült und brachen zusammen. Ymirs Blut schwoll an zu einem tosenden Strom, der alles mit sich riss und sich schließlich in einer Senke wie in einem gewaltigen Becken sammelte.
    Das Becken lief über, und bald war Niflheim zu einem Meer geworden, aus dem nur noch eine einzige Erhebung hervorragte, der Gipfel des ehemals höchsten Berges. Der Gipfel, von welchem aus Odin den Urriesen Ymir getötet hatte. Hier stand er immer noch mit seinen Brüdern und sah zu, wie die Welt versank, aus der er kam, und wie die letzten Reifriesen um ihr Leben schwammen.

    Einem jungen Riesen, den der Schwall von Ymirs Blut mit sich riss, gelang es, am kantigen Stein des BerggipfelsHalt zu finden. Verzweifelt klammerte er sich mit Armen und Beinen an eine Felsnase und versuchte sich hinaufzuziehen. Als Odin ihn entdeckte, eilte er dem Riesen entgegen und streckte seine Hand aus. Der Riese sah den Gott an, und einen Herzschlag lang rangen Hoffnung und Zweifel miteinander. Dann aber löste der Riese seine rechte Pranke vom Fels
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