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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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Fundament zu einer gewaltigen Burg.
    Dann aber kam Vili ein Gedanke. »Wieso bauen wir eigentlich nur ein Heim für dich, Odin? Wir sind doch auch Götter.«
    »Das mag ja sein, aber ich bin der oberste Gott. Los, los, weitermachen.«
    Durch die überirdischen Kräfte der jungen Götter ging der Bau schnell voran, und Odin durchschritt einen Saal nach dem anderen und glaubte schon, sein neues Heim noch vor dem Abend beziehen zu können, als der Boden bebte und sich Risse durch die Wände des Eispalastes zogen.
    Odin eilte nach draußen, um zu sehen, was geschehen war, und erschrak: Vor ihm stand ein ganzes Heer bewaffneter Reifriesen. Furcht einflößend sahen sie aus, mit ihrer bläulich weißen Haut und dem grauen Haargestrüpp auf ihren Köpfen. Manche von ihnen waren auch sonst ganz mit Fell bedeckt oder besaßen mehrere Köpfe, zusätzliche Arme und Beine oder lange Stoßzähne. Odin sah, wie sie die Fäuste ballten, und er konnte das Knirschen ihrer riesigen Kiefer hören.
    »Was wollt ihr? Wieso stört ihr uns?«
    Odin blickte sie der Reihe nach an und überlegte, wie er Zeit gewinnen könnte.
    »Ährgr ... kämpfen. Ährg ... töten.«
    Der größte der Reifriesen ging drohend auf den jungen Gott zu. Sein Gesicht war grob und kantig wie ein Eisberg. In seinen kalten blauen Augen spiegelte sich Hass. Die anderen Reifriesen feuerten ihren Anführer an und stampften kampfeslustig mit den Füßen auf, dass der gefrorene Boden bebte.
    »Keinen Schritt weiter, Riese!« Odin trat dem Reifriesen entgegen. »Du stehst vor einem Gott. Also hüte deine Zunge, oder ich werde sie dir herausreißen.«
    Es dauerte eine Weile, bis der Riese verstand, was Odin gesagt hatte, und Odin nutzte die Zeit, um die Anzahl seiner Gegner zu schätzen. Sie waren in der Überzahl, und Odin musste einsehen, dass sie keine Chance hatten, selbst wenn er und seine Brüder jeweils mit mehreren Reifriesen gleichzeitig fertig werden konnten. Unauffällig winkte er Vili herbei.
    »Es sind zu viele. Wir müssen sie irgendwie überlisten.«
    Vili starrte Odin fassungslos an.
    »Du bist ein Gott. Du bist ihnen geistig überlegen. Es wäre ungerecht, wenn du sie einfach reinlegst.«
    Odin verdrehte die Augen.
    »Vili, sie können es nicht ertragen, dass sie sich uns unterordnen müssen. Also haben wir die Wahl: Entweder sie herrschen oder wir.«
    Bevor jedoch Vili seinem älteren Bruder antworten konnte, hatte der Anführer der Reifriesen verstanden, was Odin zu Vili gesagt hatte, und gab seinen Gefährten das Zeichen zum Angriff. Zwei der Riesen, ein alter, sehr faltiger und ein dickbäuchiger, holten tief Luft, und als sie ausatmeten, brach ein gewaltiger Schneesturm los.
    Odin und seine Brüder konnten einander nicht mehr sehen.
    »Vili, schnapp dir die beiden!«
    Odin stemmte sich gegen den Orkan und versuchte,im Schneegestöber seine Brüder auszumachen. »Ve, wir müssen ihren Anführer besiegen.«
    Doch er konnte sie weder sehen noch hören, denn der Sturm fauchte wütend wie ein riesenhaftes Ungeheuer, das direkt auf ihn zuflog. Es drohte, ihn zu Boden zu reißen, und leckte mit eisigen Zungen alle Wärme und alle Lebensenergie aus ihm heraus. Die Schneeflocken peitschten auf ihn ein wie weißes Gefieder, und Odin spürte den starken Wunsch, sich einfach hinzulegen und zu warten, bis diese eisigen Federn ihn bedeckt haben würden.
    Genau in diesem Augenblick hörte er die Stimme seines Bruders Ve wie von weit entfernt zu ihm herüberwehen.
    »Riesenzauber. Odin, brich ihn!«
    Und Odin schloss die Augen. Er fühlte in sich hinein, fühlte das Göttliche in sich, wie es wuchs, wie es leuchtete, wie es durch seine Adern strömte und ihn wärmte. Er richtete sich auf, und mit einer einzigen Handbewegung brachte er den Schneesturm zum Erliegen. Nicht weit entfernt von ihm standen immer noch die beiden Reifriesen, der dicke und der faltige, und gafften verwundert und mit aufgeblasenen Backen zu ihm herüber. Auch als Odin langsam auf sie zuging, pusteten sie immer weiter. Erst als er genau vor ihnen stand, erkannten sie endlich, dass Odin das Sturmungeheuer gebannt hatte. Die Riesen wollten fliehen, doch es war zu spät. Odin schleuderte zwei Blitze und fällte sie.
    Inzwischen waren noch mehr Reifriesen zum Kampfplatz gekommen. Odin blickte sich nach seinen Brüdernum und entdeckte sie eingekreist von einer ganzen Horde johlender Riesen. Bis auf einige Fellfetzen waren die Reifriesen unbekleidet. Ihre verfilzten Haare standen von ihren Köpfen
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