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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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Riesenkinder hatten sich inzwischen vermehrt, waren viele geworden und hatten sich bequeme Höhlen in den Schnee gegraben. Als sich der schöne Bur näherte, ging ihm eine junge Riesin entgegen, um ihn zu begrüßen.
    »Willkommen bei Ymirs Kindern, Fremder. Mein Name ist Bestla, Tochter des Bölthorn.«
    Bur verliebte sich sofort in Bestla, denn auch sie hätteeine Göttin sein können, wenn es die Götter schon gegeben hätte. Ihr Haar glänzte. Es war so hellblond, dass es fast weiß aussah. Überhaupt wirkte sie, als sei sie ganz und gar aus Milch gemacht, so zart und weich war ihre Haut. Freudig folgte Bur Bestla zu den Eishöhlen.
    In jenen frühen Zeiten aber war es nicht anders, als es später war. Die Riesen waren wild und grob, und als sie den fremden jungen Mann sahen, wollten sie ihn erschlagen und fressen. Sie warfen ihn in eine Eishöhle und wälzten einen riesigen Felsbrocken vor die Öffnung. Dann feierten sie das bevorstehende Festessen. Die Riesen grölten hässliche Lieder, schrien und tanzten, und in dem ganzen Lärm fiel niemandem auf, dass Bestla den Felsbrocken heimlich zur Seite wälzte und den Gefangenen befreite.
    »Wenn sie bemerken, dass ich dir geholfen habe, werden sie mich töten«, sagte die Riesin und führte Bur an den Tanzenden vorbei zum Ausgang des Lagers. »Nimm mich mit, ich möchte nicht länger eine von ihnen sein.«
    Bur schloss sie in die Arme, und gemeinsam flüchteten sie an den entlegensten Winkel des Nebelreiches. So streifte ein einziges Mal die Liebe Niflheim.
    Bestla und Bur bauten sich ein Haus und bekamen drei Söhne, die am selben Tag, zur selben Stunde geboren wurden. Die Drillinge waren anders als alle Lebewesen, die bisher existiert hatten. Sie waren schöner und klüger als jedes andere Geschöpf. Den Erstgeborenen nannten die Eltern Odin, der Hohe, seine Brüder Vili, der Wille, und Ve, der Heilige. In jenen Tagen und mit ihnen begann die Zeit der Götter.

Odin und seine Brüder
    D er junge Gott Odin und seine Brüder Vili und Ve wuchsen heran. Immer noch glichen sie sich äußerlich wie eine Schneeflocke der anderen. Alle drei waren ungewöhnlich groß und stark, hatten helles Haar und die eisblauen Augen, die so typisch sind für die Bewohner Niflheims. Mit den Jahren aber drängte es Odin, sich von seinen Geschwistern abzusetzen. Es begann damit, dass Vili und Ve graue Fellumhänge trugen, Odin aber stets in einen weißen Pelz gekleidet war. Später trug er das Haar nicht offen, sondern zu einem Zopf gebunden und ließ sich einen langen Bart wachsen. Und da er tatsächlich sogar noch klüger war als seine ohnehin schon göttlich klugen Brüder, veränderte sich auch sein Gesichtsausdruck. Es lag etwas Überhebliches in seinen Zügen, manchmal sogar etwas Berechnendes. Die Gesichter von Vili und Ve aber blieben lange Zeit die Gesichter unschuldiger Kinder.
    Als die Brüder heranwuchsen, reichte ihnen die eisige Einöde, in der sie lebten, nicht mehr. Die endlosen Schneefelder, die nur zu immer neuen Schneefeldernführten, das ewige Eis, das sich meterhoch auftürmte und den Blick verstellte, und die Kälte: Das alles erdrückte sie. Besonders Odin wollte sich damit nicht zufriedengeben, er wollte etwas verändern. Schon von Geburt an besaß er Zauberkräfte und eine große Einsicht in die Zusammenhänge des Lebens, denn in ihm glühte der göttliche Funke besonders hell.
    »Es ist nun mal so, dass ich ein Gott bin, übrigens der erstgeborene Gott«, sprach er zu seinen Brüdern, »und für einen Gott ist es unpassend, in einer Eishöhle zu leben. Ich werde etwas erschaffen. Was ist mit euch? Ihr könntet meine Untergötter sein.«
    Vili und Ve wollten sich Odin natürlich zunächst nicht unterordnen, aber da er der Weiseste von ihnen war und deshalb auch die besten Ideen hatte, willigten sie schließlich ein. Sie nahmen Abschied von ihren Eltern und zogen aus, um die Umgebung nach ihrem Willen zu gestalten.
    Sie wanderten viele Tage. Immer nach Norden. Ließen Bergketten, Nebeltäler und froststarre Ebenen hinter sich, bis sie schließlich ein weites Plateau im Schatten einer Felswand erreichten, wo auch ein kleiner Fluss entsprang.
    »Als Erstes brauche ich einen Palast«, sagte Odin und begann, Schneeblöcke aufeinanderzuschichten. »Hier ist ein guter Ort, denn dieser Fluss ist nicht giftig, und außerdem ist er so warm, dass er nicht andauernd zufriert.« Vili und Ve kamen ihrem Bruder sofort zu Hilfe, und mit riesenhaften Götterkräften legten sie das
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