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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure
Autoren: Christa S. Lotz
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sehr seltsam. Manchmal dachte Celina, sie sei den beiden doch zu sehr ans Herz gewachsen, als dass sie ihre Nichte einfach so fortschicken könnten. Dann wieder sah sie die beiden miteinander tuscheln und auseinander fahren, wenn sie sich ihnen näherte. Sobald Celina den Arbeitsraum ihres Onkels betrat, drehte er ihr mürrisch den Rücken zu, und wenn er sie dann anschaute, war sein Blick voller Strenge. Die Blätter färbten sich langsam bunt, Walnüsse lagen auf dem Boden verstreut, und das Licht der Sonne wurde blasser. Der Tag, an dem dieses Leben für sie beendet sein sollte, rückte immer näher.

2.
    Eine Wolke schob sich vor die Sonne. Christoph schaute von dem Buch auf, in dem er gelesen hatte. Er war am Nachmittag aus Tübingen, seinem Studienort, auf die Burg Geldern in Württemberg gekommen. Es klopfte heftig an der Tür, und Christoph schrak zusammen. Sein Ziehvater, der Burgvogt Reinhard von Geldern, betrat den Raum.
    »Gut, dass ich dich antreffe«, sagte Reinhard. »Ich wollte dir mitteilen, dass ich Gäste erwarte. Es sind Mitglieder eines geheimen Konsistoriums zur Rettung der Reformation.«
    »Nanu, was hast du denn neuerdings für Verbindungen?«, fragte Christoph und schlug das Buch zu.
    Reinhard räusperte sich. »Uns ist bekanntgeworden, dass man die lutherische Bibel und humanistische Schriften auf den Scheiterhaufen werfen will. Und mit den Büchern sollen alle Leute brennen, die man für Ketzer und Häretiker hält!«
    »Kann die Kirche denn nie Ruhe geben?«, rief Christoph. »Der Protestantismus ist doch bei uns schon zur allgemeinen Religion geworden, dank Herzog Ullrich, so sehr er sonst zu verdammen sein mag.«
    »Der Katholizismus ist wieder auf dem Vormarsch. In Frankreich hat man calvinistische Zirkel ausgehoben, ihre Mitglieder gepfählt und verbrannt.«
    Christoph schoss das Blut ins Gesicht. Sprachlos schaute er den Mann an, dem er so viel zu verdanken hatte.
    »Es tut mir leid, dass ich wieder daran gerührt habe. Wir müssen stark sein in diesen Zeiten. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, kein Mensch, wenn er nicht weiß, welcher Art sein Gegenüber ist.«
    »Du hast deine Lektionen gut gelernt«, erwiderte Christoph. »Es gibt die, die fressen, und jene, die gefressen werden.«
    »Aus diesem Grund habe ich meine Freunde aus dem Konsistorium eingeladen. Ich möchte, dass du dich wappnest für eine Aufgabe, die dir eine schwere Bürde werden, ja, die sogar tödlich für dich enden könnte!«
    Christoph hatte ein flaues Gefühl im Magen, doch er sagte: »Tod und Teufel fürchte ich nicht. Ich bin schon als Kind durch das Feuer der Inquisition gegangen.«
    »Dann komm um …«, Reinhard warf einen Blick auf die mechanische Uhr, die in einem Gehäuse aus Bergkristall auf einer Konsole stand, »sieben Uhr zum Abendessen in den Speisesaal.«
    Als Christoph aus dem Turmzimmer trat, blendete ihn das Licht der untergehenden Sonne. Die Hitze des Tages waberte noch zwischen den Mauern. Burg Geldern stand auf einem bewaldeten Sporn inmitten von Wäldern und Weinbergen, über die der Vogt zu einem beträchtlichen Teil gebot. Er klagte jedoch häufig wegen der Teuerung und des abnehmenden Ansehens der Ritterschaft. Christoph betrat den Speisesaal, in dem verstaubte Gobelins und gekreuzte Eisenschwerter an den Wänden hingen, Relikte aus einer Zeit, die unwiederbringlich ins Dunkel der Geschichte zurückgesunken war. Die Rundbogenfenster waren bleiverglast. In der Mitte des Raumes stand ein dunkler Holztisch, an dem die Gäste schon Platz genommen hatten. Zwei silberne Kerzenleuchter erhellten die Szene. Reinhard, der Burgvogt, stellte seine Besucher als Georg Stockinger, Johann Kerner und Balthasar von Althausen vor. Sie trugen die übliche Kleidung der Adligen: kurze Jacken aus Brokat oder Samt, Seidenhemden, Beinlinge und Kuhmaulschuhe. Ihre Barette hatten sie seitlich aufgesetzt unddie pelzverbrämten Schauben locker über die Stuhllehnen geworfen. Christoph ließ sich auf einem der Stühle nieder. Auf einer hölzernen Platte lagen aufgeschnittene Weißbrotscheiben, und vor jedem der anwesenden Männer stand ein Becher mit Wein.
    »Wir können Gott danken, dass wir so friedlich beisammensitzen«, sagte Reinhard. »Seitdem die Gesellschaft des Ignatius von Loyola vom Papst anerkannt worden ist, weht der Wind der Gegenreformation stärker. Ich fürchte, dass es noch einen Sturm geben wird!«
    »Da kann ich Euch nur zustimmen«, meinte Georg Stockinger. »Das Konzil von Trient hat zwar den
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