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Die Neunte Gewalt

Titel: Die Neunte Gewalt
Autoren: Jon Land
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Kimberlain Kaffee nach.
    »Bringen Sie mir bitte noch ein Quarkteilchen, ja?« bat Talley die Frau.
    Die Kellnerin wirkte überrascht, als sie die Bestellung notierte. Kimberlain lächelte.
    »Es kommen nicht viele Frauen hierher«, sagte er als Erklärung. »Und wenn, essen sie nicht soviel.«
    Lauren Talley schob sich die erste Gabel voll Rührei in den Mund. »Ich esse immer, wenn ich nervös bin.«
    »Mache ich Sie nervös?«
    »Nicht Sie. Eher die Möglichkeit, daß Sie ablehnen könnten.«
    Lauren Talley schüttelte sich das Haar aus dem Gesicht. Obwohl sie bereits einunddreißig Jahre alt war, hätte sie noch als College-Studentin durchgehen können. Diese Tatsache hatte sich in Quantico gleichermaßen als Vor- wie auch als Nachteil erwiesen. Die Leute nahmen sie nicht ernst. Viele hielten sie noch immer für eine Sekretärin und konnten sich nicht vorstellen, daß sie einigen der brutalsten Massenmördern, die sich das Herz der USA als Spielplatz ausgesucht hatten, direkt auf den Fersen war. Talley hatte sich ernsthaft überlegt, das Haar kürzer zu tragen und vielleicht auch eine Brille aufzusetzen, damit sie älter und respektabler wirkte, hatte jedoch Abstand davon genommen. Diese kosmetischen Veränderungen würden ihr nicht helfen, endlich herauszufinden, welche Rolle sie in den Augen der anderen spielen sollte. Das konnte sie nur feststellen, indem sie so weitermachte wie bisher.
    »Wieviel wissen Sie?« wiederholte sie.
    »Was in den Zeitungen gestanden hat. Und was man in den Nachrichten gebracht hat. Zwei kleine Städte.«
    »Ja. Er hat sämtliche Einwohner beider Städte getötet. Im Abstand von zwei Tagen. Hundertacht bei der ersten, hundertfünfzehn bei der zweiten. Das war vorgestern abend. Ich habe die Akten im Wagen. Es finden sich aber keine substantiellen Hinweise darin … wir haben nicht die geringste Spur.«
    »Vielleicht gibt's doch eine. Da ist doch die Sache mit seinem Fuß, an dem irgendwas ungewöhnlich ist.«
    Lauren Talley nickte. »Der Stiefelabdruck hat uns verraten, daß sein linker Fuß mißgebildet ist. Wir versuchen noch herauszufinden, ob es sich um einen Geburtsfehler oder die Folgen eines Unfalls handelt. Die Presse hat Wind davon bekommen.«
    »Und daher auch sein Spitzname …«
    »Tiny Tim«, sagte Lauren Talley. »Ich habe meinen Vorgesetzten gesagt, ich könnte Sie dazu bringen, uns zu helfen. Ich habe nicht vor, mit leeren Händen zurückzukehren.«
    »In diesem Fall sollten Sie vielleicht Ihre Quarktasche mitnehmen.«
    »Sie wissen, daß er es wieder tun wird.«
    »Falls Sie ihn nicht schnappen.«
    »Es wird uns nicht gelingen. Er ist zu clever für uns.«
    »Vielleicht auch zu clever für mich.«
    »Die anderen waren das nicht. Weder Leeds. Noch … Peet.« Lauren Talley ließ Rührei Rührei sein und beugte sich vor. »Ich möchte Sie etwas fragen. Peet ist vor drei Jahren aus ›The Locks‹ entkommen und gilt seitdem als ertrunken. Was, wenn er es zum Ufer geschafft hat? Was, wenn er überlebt hat?«
    »Um als Tiny Tim aufzuerstehen?«
    »Es wäre eine Möglichkeit.«
    »Nicht, wenn man nicht allen Opfern den Kopf von den Schultern gerissen hat.«
    »Ich meine damit …«
    »Hören Sie, Miss Talley. Peet hat einzelne Menschen getötet. Siebzehn Opfer in siebzehn verschiedenen Staaten. Er hat sie aus unmittelbarer Nähe umgebracht, und er kannte sie. Tiny Tim dagegen ist ein Massenschlächter.«
    »Das klingt ganz so, als wollten Sie Peet verteidigen.«
    »Ich will nur einiges klären. Und ich bin damit fertig, Ungeheuer zu jagen, Miss Talley. Das überlasse ich jetzt den Profis. Ich habe Besseres zu tun.«
    »In diesem Punkt war Ihre Akte eindeutig. Eine Reihe von Zwischenfällen, die Sie wohl ›Rückzahlungen‹ nennen.«
    »Angebliche Zwischenfälle. Ansonsten würde in meinem Fall wohl eine andere Abteilung in Quantico ermitteln.«
    »Sie haben mächtige Freunde, Mr. Kimberlain.«
    »Ich kann Ihnen versichern, daß ich mir deren Freundschaft im Laufe der Jahre redlich verdient habe, Miss Talley.«
    Kimberlain rutschte zurück, trank den Kaffee aus und stellte die Tasse energisch auf die Untertasse. Talley wußte, daß er ihr entglitt.
    »Ich will Ihnen nur etwas über die Städte erzählen«, sagte sie. »Hören Sie sich an, was ich zu sagen habe, während ich mein Frühstück beende, okay?«
    »Also gut.«
    »Sein erster … Zwischenstopp war Dixon Springs in Montana, hundertacht Einwohner. Sein zweiter und jüngster war Daisy in Georgia.
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