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Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Titel: Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Anlage ins Gespräch. Für wirkliche Furore aber sorgte in den dafür besonders empfänglichen Sechzigerjahren ein Buch, das Stonehenge als eine Art vorzeitlichen Computer zur Berechnung von Mondfinsternissen und ähnlichen Himmelskonstellationen beschrieb. Dahinter steht, abgesehen von Sensationslust, eine menschliche Schwäche, vor der selbst Historiker, Altertumsforscher und Archäologen nicht immer gefeit sind: Der Blick auf lang zurückliegende Zeiten ist oft genug beeinflusst vom eigenen Erfahrungshorizont und der eigenen Kulturzugehörigkeit, weshalb den Menschen anderer Epochen mitunter ganz falsche Eigenschaften und Motivationen zugeschrieben werden. Denn wozu hätten die Menschen der Vorzeit eine derart aufwändige Astronomie betreiben sollen? Mochte das Buch auch als mathematisch ungenau und archäologisch unsauber entlarvt werden – die interessierte Öffentlichkeit nahm begeistert die Vorstellung auf, geerdete, weise Vorfahren des jämmerlichen, der Natur und der Weltgeheimnisse entfremdeten modernen Menschen hätten inmitten der rätselhaften Steinkreise, mit mathematischer Präzision, die Augen gen Himmel gerichtet und ganz ohne die Errungenschaften der Moderne durchschaut, was die Welt im Innersten zusammenhält. Je mehr Erkenntnisse die moderneWissenschaft gewinnt und je mehr den Menschen die Welt entzaubert und ungemütlich erscheint, desto empfänglicher sind sie für esoterische Ideen. Und Stonehenge als vermeintlicher astronomischer Vorzeitkalender mit dem Grusel alter Kulte und der Sehnsucht nach Ganzheitlichkeit einer fernen Vergangenheit eignet sich dafür ganz vorzüglich.
    Wenn aber trotz aller spannenden und unterhaltsamen Mutmaßungen eine seriöse Deutung der Anlage von Stonehenge nur auf Grundlage archäologischer Erkenntnisse erfolgen kann: Was sagen denn die unzähligen Archäologen, die sich mit dem imposanten Bauwerk befasst haben?

    Von der modernen Archäologie und ihren Hilfswissenschaften sind wir längst erstaunliche Erkenntnisse gewohnt: Da lässt sich bestimmen, wann ein Mensch beerdigt wurde, von dem nur noch ein Häufchen ausgebleichter Knochen übrig ist, woher er stammte und woran er gestorben ist. Da lässt sich mittels Pollenanalyse des Erdreichs die Ackerbaugeschichte einer Fläche über Jahrtausende rekonstruieren. Da lässt sich anhand vorzeitlicher Abfallgruben genau nachvollziehen, was in einer steinzeitlichen Siedlung so alles auf den Tisch kam. Und schließlich − von besonderem Nutzen im Fall Stonehenge − wurde die Radiokarbonmethode entwickelt, mit der sich anhand der Zerfallsprozesse des Kohlenstoffisotops C 14 das Alter organischer Materialreste sehr genau bestimmen lässt.
    In unermüdlicher Kleinarbeit anhand vieler Tausend Funde und bei gelegentlicher Handreichung des Gehilfen Zufall haben Archäologen die Baugeschichte von Stonehenge zwar beileibe nicht erschöpfend, aber doch recht umfassend rekonstruiert. Besonders wichtig war dabei die Erkenntnis, dass die Anlage über lange Zeit genutzt, verändert, zwischendurch aber auch zeitweise völlig vernachlässigt, wenn nicht aufgegeben wurde.In vielen Details sind die Fachleute leidenschaftlich uneins – das ist nicht nur eine bleibende Motivation für neue Forschergenerationen, sondern auch unausweichlich: Ab einem gewissen Grad sind archäologische wie andere historische Erkenntnisse Auslegungssache, und wenn es zur Interpretation der Befunde kommt, gehen die Meinungen der Experten rasch auseinander. In Stonehenge kommt das Problem hinzu, dass es sich nicht gerade um eine Bilderbuchstätte für Archäologen handelt, bei der in zeitlich klar unterscheidbaren Erdschichten eindeutig zuzuordnende Fundstücke fein säuberlich sortiert auf ihre Entdecker warten. Die berühmteste vorgeschichtliche Stätte macht es uns vielmehr ausgesprochen schwer, denn die verschiedenen Zeitschichten sind schwer zu unterscheiden, das Gelände ist ausgedehnt und die Fundschicht vergleichsweise dünn.

    Lange vor der Errichtung von Stonehenge selbst wurden einen Viertelkilometer nordwestlich der Anlage drei Holzpfähle aufgestellt – bereits zwischen 8000 und 7000 v. Chr., also noch in der Mittleren Steinzeit (Mesolithikum), als es in der Gegend eine kleine Bevölkerung von Jägern und Sammlern gab. Ob sie als Orientierungshilfen dienten oder religiösen Zwecken, ist unklar. Die eigentlichen Arbeiten an Stonehenge I begannen um 3000 v. Chr., also vor nunmehr fünf Jahrtausenden, als der äußere Wall aufgeschüttet wurde, der
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