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Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Titel: Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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notdürftig untereinander verständigten.

    Nun ist schon der Name Stonehenge eine vergleichsweise neue Bezeichnung, mag sie auch aus dem uns fernen Mittelalter stammen und selbst bereits ein knappes Jahrtausend alt sein. Schon damals jedoch lag die Entstehung des Bauwerks zweieinhalb Jahrtausende zurück, schon damals gehörte Stonehenge seit Menschengedenken zum Landschaftsbild in dieser Gegend Südenglands. Und schon damals war die Anlage ein einziges Rätsel, weil ihr Zweck vergessen wurde, bevor eine Schriftkultur ihn hätte festhalten können. Stonehenge muss bei seinen jungsteinzeitlichen Erbauern und Nutzern einen anderen Namen gehabt haben, aber der ist auf immer verloren gegangen.

    Alles in allem also wussten die Menschen nichts über Stonehenge, als zu Anfang des 12 . Jahrhunderts – ein Dreivierteljahrhundert nach der normannischen Eroberung Englands – der neue Bischof von Lincoln, Alexander von Blois, seinen Erzdiakon Henry von Huntingdon mit der Abfassung einer Geschichte Englands beauftragte. Darin nennt der Chronist als eine der vier Sehenswürdigkeiten des Landes »Stanenges«, wo Steine von erstaunlicher Größe wie große Tore aufgestellt seien, ohne dass man sagen könne, wie das vonstattengegangen sein könnte. Der Begriff »Stanenges« bedeutet im Altenglischen entweder »hängender Stein« − bezogen auf die Decksteine, die über den Tragsteinen sozusagen »hängen« − oder Steingalgen.
    Mindestens seit dem 12 . Jahrhundert also rätseln die Menschen, was es mit Stonehenge auf sich hat. Fast zur gleichen Zeit lieferte ein anderer britischer Autor eine Erklärung: Geoffrey von Monmouth, dessen Geschichtsbuch die mittelalterliche Sicht auf England und seine Vergangenheit maßgeblich beeinflusste. Er erzählt, im Jahr 485 n. Chr., das heißt zur Zeit der Eroberung Englands durch die Angelsachsen (mehr als tausend Jahre vor der Invasion der Normannen), habe der sagenhafte ZaubererMerlin zur Erinnerung einer Schlacht und zur grenzenlosen Verblüffung der anwesenden Sterblichen die steinerne Anlage aus Irland hergeschafft und in Wiltshire wieder aufgebaut. Aufgrund anderer historischer Ungenauigkeiten zweifelten jedoch bereits Zeitgenossen am Wahrheitsgehalt von Geoffreys Chronik. Aber sein Buch wurde ein voller Erfolg und die Geschichte von Merlin und Stonehenge eifrig tradiert und weiter ausgeschmückt. Noch in der ersten Hälfte des 16 . Jahrhunderts verweist der italienische Gelehrte und Humanist Polydore Vergil, der lange in England lebte, auf den wohl bekanntesten Zauberer und Lehrer des sagenhaften Königs Artus, Merlin, als Bauherrn von Stonehenge.
    Im Laufe der Zeit erfuhren die alten Steinkreise weitere Deutungen: als römischer Tempel, als Krönungsort der dänischen Könige Englands (zwischen 1016 und 1042 ), als Bauwerk der Phönizier oder auch als Hinterlassenschaft der unvermeidlichen Kelten – was zuerst Ende des 17 . Jahrhunderts der Forscher John Aubrey ins Spiel brachte. Aubrey, nach dem die Löcher eines der konzentrischen Kreise benannt wurden, hielt die Anlage für einen Tempel der Druiden, der berühmten Priesterkaste der Kelten, von der sich so viel weniger mit Bestimmtheit sagen lässt, als ihre Bekanntheit bis in unsere Tage vermuten ließe. Bis heute dient Stonehenge außerdem der Fantasy-Literatur als spektakuläre Kulisse oder Inspiration mehr oder weniger abwegiger Geschichten.

    Es bedurfte der erst im 18 . und vor allem 19 . Jahrhundert wissenschaftlich etablierten Disziplin der Archäologie, um in Sachen Stonehenge Neues zutage zu fördern. Wenn eine Kultur keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen hat, kommt archäologischen Befunden eine besondere Schlüsselfunktion zu: Die Ergebnisse der Altertumsforscher bilden die Grundlage, auf der Aussagen über eine Kultur aus grauer Vorzeit getroffen werden müssen.Werkzeugfunde und Spuren an den Steinen legten nahe, dass die Sarsensteine im späten Neolithikum errichtet worden waren, also am Ende der Jungsteinzeit, auf die die Bronzezeit folgte.
    Als bedeutend populärer denn öde Untersuchungen über mikroskopisch kleine Spuren am Stein oder Auslegungsstreitereien unter Archäologen – deren Bedeutung interessierte Laien gar nicht ermessen konnten – erwiesen sich jedoch Mutmaßungen über den astronomischen Charakter der Anlage von Stonehenge: Aufgrund von Erkenntnissen, die man an griechischen und ägyptischen Kultstätten gewonnen hatte, kam zu Beginn des 20 . Jahrhunderts eine astronomische Ausrichtung der
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