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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter
Autoren: Terry Pratchett
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klar? Aber wenn ein Kind
    unterwegs ist… dann sieht ein Mann die Sache plötzlich ganz anders.
    Er denkt: Mein Kind soll in diesem Durcheinander aufwachsen? Wird
    Zeit, Ordnung zu schaffen. Wird Zeit, die Welt zu verbessern. Ein
    Mann, der so etwas denkt, wird… eifrig… schneidig. Wenn der
    Kommandeur von Starkimarm erfährt, wird’s hier ganz schön
    rundgehen… Guten Morgen, Herr Mumm!«
    »Habt ihr gerade über mich gesprochen?«, fragte Mumm und schritt
    an den Wächtern vorbei, als sie Haltung annahmen. Er hatte kein
    einziges Wort des Gesprächs mitbekommen, doch in Feldwebel Colons
    Gesicht konnte er lesen wie in einem offenen Buch, und dieses Buch
    kannte er inzwischen auswendig.
    »Wir haben uns nur gefragt, ob das freudige Ereignis…«, begann
    Colon und brach ab, als Mumm die Treppe hocheilte, zwei Stufen auf
    einmal nehmend.
    »Nein, es ist noch nicht so weit«, sagte Mumm und öffnete die Tür
    seines Büros. »Morgen, Karotte!«
    Hauptmann Karotte sprang auf und salutierte. »Guten Morgen, Herr!
    Hat Lady…«
    »Nein, Karotte, sie hat noch nicht. Was gab’s während der Nacht?«
    Karottes Blick glitt zu der Fliederblüte und kehrte dann zu Mumms
    Gesicht zurück. »Nichts Gutes, Herr«, sagte er. »Ein weiterer Wächter
    wurde umgebracht.«
    Mumm blieb abrupt stehen. »Wer?«, fragte er.
    »Feldwebel Starkimarm, Herr. Es hatte ihn auf der Sirupminenstraße
    erwischt. Wieder Carcer.«
    Mumm sah auf die Uhr. Es blieben noch zehn Minuten, um den
    Palast zu erreichen. Doch plötzlich spielte die Zeit keine Rolle mehr.
    Er nahm am Schreibtisch Platz. »Zeugen?«
    »Diesmal gleich drei, Herr.«
    »So viele?«
    »Al es Zwerge. Starkimarm war nicht einmal im Dienst, Herr.
    Er hatte seine Schicht beendet, holte sich eine Rattenpastete aus
    einem Laden, trat auf die Straße und stieß gegen Carcer. Der Mistkerl
    stach ihm in den Hals und lief davon. Dachte vermutlich, wir hätten ihn
    gefunden.«
    »Wir suchen den Mann seit Wochen ! Und er lief dem armen
    Starkimarm über den Weg, als der Zwerg nur an sein Frühstück dachte?
    Ist ihm Angua auf der Spur?«
    »Sie konnte ihm nur bis zu einer gewissen Stel e folgen, Herr«, sagte
    Karotte verlegen.
    »Warum nur bis zu einer gewissen Stelle?«
    »Er – nun, wir nehmen an, dass es Carcer war – ließ auf dem
    Hiergibt’salles-Platz eine Anisbombe fallen. Fast reines Öl.«
    Mumm seufzte. Es war erstaunlich, wie sich die Leute anpassten. In
    der Wache gab es einen Werwolf. Das sprach sich herum, im
    Verborgenen. Und so entwickelten sich die Verbrecher weiter, um in
    einer Gesellschaft zu überleben, in der das Gesetz eine empfindliche
    Nase hatte. Geruchsbomben waren eine undramatische Lösung des
    Problems. Man ließ einfach ein Fläschchen mit reinem Pfefferminz-
    oder Anisöl dort auf die Straße fal en, wo viele Personen darüber
    hinweggingen, und plötzlich bekam es Feldwebel Angua mit hundert
    oder sogar tausend hin und her führenden Spuren zu tun, und abends lag sie dann mit Kopfschmerzen im Bett.
    Mumm hörte verdrossen zu, als Karotte von Männern berichtete, die
    aus dem Urlaub zurückgerufen oder für zusätzlichen Dienst eingeteilt
    worden waren. Er erfuhr von befragten Informanten, gestohlenen
    Tauben, von offen gehaltenen Ohren, aufgewirbeltem Staub und Gras,
    dem man beim Wachsen zugehört hatte. Und er wusste, wie wenig das
    al es brachte. Die Wache bestand noch immer aus weniger als hundert
    Mann, die Kantinenfrau mitgezählt. Ankh-Morpork hatte eine Million
    Bewohner und eine Milliarde Verstecke. Die Stadt war praktisch auf
    Unterschlupfen errichtet worden. Und Carcer kam einem Albtraum
    gleich.
    Mumm kannte diese Art von Wahnsinn, bei dem sich jemand ganz
    normal verhielt, bis er plötzlich ausrastete und jemand anderen mit
    einem Schürhaken erschlug, nur weil sich dieser zu laut die Nase
    geputzt hatte. Aber bei Carcer lag der Fall anders. In seinem Kopf
    steckte ein doppeltes Selbst, doch zwischen den beiden
    Persönlichkeiten gab es keinen Konflikt, sondern einen Wettstreit. Bei
    Carcer saß auf beiden Schultern ein Dämon, und sie feuerten sich
    gegenseitig an.
    Und doch… Er lächelte die ganze Zeit über, auf eine muntere Weise,
    und er verhielt sich wie ein Gauner, der seinen Lebensunterhalt mit
    dem Verkauf von Golduhren verdiente, die nach einer Woche grün
    anliefen. Und er schien immer völlig davon überzeugt zu sein, dass er
    nichts Unrechtes getan hatte. Er stand dort neben den Leichen, mit
    Blut an den Händen und
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