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Die Muenze von Akragas

Titel: Die Muenze von Akragas
Autoren: Andrea Camilleri
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aufgeweicht ist, aber gleich darunter ist sie trocken und hart wie Stein. Eine Schinderei, bei der man sich den Rücken kaputt macht.
    Nach einer Stunde gerät Cosimo an eine Scholle, die ist so groß, dass er beschließt, sie mit einem Spatenhieb in zwei Teile zu hauen. Als die Scholle aufbricht, erblickt er mittendrin so was wie ein Glitzern, das kommt von der Sonne, die schon hoch steht.
    Er bückt sich, hebt das glitzernde Ding auf.
    Eine Münze ist es, winzig klein, und scheint, nach dem bisschen, was man sieht, aus Gold. Aber der größte Teil ist mit Erde verkrustet, die ist fast so hart geworden wie Metall. Er tut die Münze in seinen Sack, ohne ’Ntonio und Ernesto was zu sagen, und hackt weiter.
    Nach einer Viertelstunde hört er mit dem Hacken auf und läuft, eine Hand auf dem Bauch, hinter einen großen Busch.
    «Was ist los?», fragt ’Ntonio.
    «Hab Dünnschiss.»
    Und während er sein Geschäft erledigt, säubert er gewissenhaft die Münze, indem er draufspuckt und sie mit dem Hemdzipfel abwischt. Er kommt zurück zum Arbeiten.
    Nach nicht mal zehn Minuten rennt er schon wieder hinter den Busch.
    «Jungs, mich hat’s übel erwischt!»
    «Steck ’n Pfropfen rein!», ruft ihm Ernesto lachend hinterher.
    Jetzt glänzt die Münze endlich. Er wird sie Dottore Gibilaro schenken, weil der sagt den Bauern immer, wenn sie irgendwo im Boden alte Münzen finden, dann nimmt er die gern und zahlt gut dafür. Hat schon viele von diesen Münzen, der Dottore, hat welche aus der Zeit der Griechen, der Römer, der Spanier, der Franzosen, der Bourbonen, aber er will immer mehr, hat nie genug. Jedenfalls wird sich Cosimo keinen Centesimo für die Münze geben lassen, die ist für das Mal, als der Dottore ihm das Bein nicht abgeschnitten hat.
     
    Dottore Gibilaro muss den letzten Patienten besuchen, Tallarita, dessen Häuschen direkt auf der Grenze zwischen Vigata und Girgenti steht, in der contrada Sperone.
    Er schaut auf die Uhr. Sehr gut, er wird pünktlich zum Mittagessen zu Hause sein können und keinen Ärger mit ’Ndondò bekommen.
    Der Besuch bei Simone Tallarita, eine Art Sammler von Krankheiten, von chronischer Bronchitis über Zirrhose bis zur Venenentzündung, dauert eine halbe Stunde. Dann schlägt der Doktor endlich den Feldweg ein, der ein Stück weit durch den Grundbesitz von Baron Loduca läuft. Das ist der kürzeste Weg zurück nach Vigata.
    Nach einer Weile sieht er drei Feldarbeiter beim Umgraben. Auch die Bauern haben ihn gesehen und aufgehört zu arbeiten, um herbeizueilen und sich in einer Reihe am Wegrand aufzustellen, als müsse er ihre Parade abschreiten. Als er auf ihrer Höhe angekommen ist, nehmen die drei ihre coppole ab.
    «Ergebenst Eure Diener.»
    «Guten Tag», sagt der Doktor im Vorüberreiten. Doch eine Stimme hält ihn auf.
    «Dottore, wartet!»
    Er hält das Pferd an, dreht sich um, erkennt den Mann, der ihn angesprochen hat. Es ist Cosimo Cammarota, einer, dem er vor vielen Jahren ein Bein gerettet hat.
    Cosimo kommt lächelnd näher. Seine beiden Kameraden folgen ihm neugierig.
    «Was gibt’s?», fragt der Doktor.
    Er möchte keine Zeit verlieren, seine Minuten sind gezählt.
    «Ich hab was, das will ich Euch schenken», sagt Cosimo. Und er steckt eine Hand in die Tasche.

 
     
    Drei       Das Erdbeben
     
    Zweitausenddreihundertvierzehn Jahre nach Akragas wird eine andere sizilianische Stadt bis auf die Grundmauern zerstört. Doch dieses Mal ist es eine Naturkatastrophe. Messina beginnt am Morgen des 28. Dezember 1908 um 5.20 Uhr zu sterben. Zweiunddreißig ewige Sekunden dauert ihr Todeskampf, dann versetzt eine Riesenwelle, ein Tsunami, wie man heute sagen würde, die den Hafen und die Uferstraßen wegfegt, ihr den Gnadenstoß. Später wird man erfahren, dass es sich um das verheerendste Erdbeben handelt, das Italien je heimgesucht hat, weit schwerer als das Beben, durch das zwei Jahre zuvor San Francisco dem Erdboden gleichgemacht wurde. Das Epizentrum wird im Meer zwischen Messina und Reggio Calabria lokalisiert, tatsächlich erlitt auch diese Stadt sehr schwere Schäden und große Verluste an Menschenleben. Die Anzahl der Toten, die man zählen kann, wird sich schließlich auf etwa 120000 belaufen.
    Freilich hätten es noch wesentlich mehr werden können, wenn die russische Ostsee-Flotte, die während jener Tage im Mittelmeer kreuzte, um ihre Marinekadetten auszubilden, im Moment des Bebens nicht bei Augusta vor Anker gelegen hätte.
    Admiral Litwinow, Kommandant
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