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Die Morde des Herrn ABC

Die Morde des Herrn ABC

Titel: Die Morde des Herrn ABC
Autoren: Agatha Christie
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– und schließlich ein ziemlich blöder Detektiv, in der Art von Japp ungefähr und – das wäre so ziemlich alles.»
    «So also stellen Sie sich ein außergewöhnliches Verbrechen vor?» Poirot sah mich traurig an. «Das ist ja eine Zusammenfassung von so ziemlich allen Kriminalromanen, die in den letzten Jahren geschrieben worden sind.»
    «Nun, was würden denn Sie sich aussuchen?»
    Poirot schloss die Augen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Seine Stimme klang wie das behagliche Schnurren einer Katze.
    «Ein ganz einfaches Verbrechen. Eines ohne Komplikationen. Ein Verbrechen im Familienkreise sozusagen… leidenschaftslos… intim.»
    «Intim? Ein Verbrechen – intim?»
    «Stellen Sie sich vor», murmelte Poirot, «dass sich vier Menschen an einen Tisch setzen, um Bridge zu spielen, und dass sich ein fünfter ruhig beim Kaminfeuer niederlässt. Am Ende des Abends ist dieser fünfte Mann tot. Einer der vier Spieler ist, während er Strohmann war, hingegangen und hat ihn ermordet, und die drei anderen, ins Spiel versunken, haben nichts davon bemerkt. Das, mein Lieber, wäre ein Verbrechen für Sie! Wer von den vier Bridgespielern ist der Verbrecher?»
    «Nun», maulte ich, «überaus spannend kommt mir das nicht vor.»
    Poirot sah mich vorwurfsvoll an.
    «Nein! Weil weder merkwürdig geformte Dolche noch Erpressung, noch ein aus dem Auge eines Götzenbildes gestohlener Smaragd, noch irgendein unbekanntes orientalisches Gift darin vorkommen! Sie sind ein melodramatisches Gemüt, Hastings. Ihnen genügt ein Mord nicht, Sie möchten ganze Reihen von Morden haben.»
    «Ich gebe zu, dass ein zweiter Mord manchmal ein Buch sehr zu beleben vermag. Wenn das Verbrechen nämlich im ersten Kapitel geschieht und man dann jedermanns Alibi verfolgen soll bis zur letzten Seite, das – nun, das wird auf die Dauer ziemlich langweilig.»
    Das Telefon klingelte. Poirot hob den Hörer ab.
    «Allô! Allô, oui! Ja, hier spricht Hercule Poirot.»
    Er hörte eine Minute lang zu, und dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck.
    «Mais oui… selbstverständlich werde ich kommen… Ja, natürlich… Sie könnten Recht haben… Gewiss, ich werde ihn mitbringen… A tout à l’heure.»
    Er kam an den Tisch zurück.
    «Japp hat eben angerufen, Hastings.»
    «So?»
    «Er ist in diesem Moment in den Yard zurückgekommen und hat eine Nachricht aus Andover vorgefunden… Eine alte Frau, die einen kleinen Tabakladen führte, ist ermordet aufgefunden worden.»
    Ich glaube, dass mir ein bisschen seltsam zu Mute war. Mein Interesse, das beim Wort «Andover» hell aufgeflammt war, erlosch wieder. Ich hatte mir etwas Außergewöhnliches vorgestellt! Der Mord an einer alten Ladenbesitzerin schien mir irgendwie uninteressant und langweilig. Poirot sprach langsam und ernst weiter: «Die Polizei von Andover glaubt, den Mörder verhaften zu können…»
    Ein neuerlicher Dämpfer auf alle meine Erwartungen.
    «… weil die Frau mit ihrem Mann Streit gehabt hat. Er ist ein Trinker und ein ziemlich roher Geselle. Er hat sie schon wiederholt bedroht. Trotzdem möchte die dortige Polizei noch den Brief einsehen, den ich erhalten habe. Ich habe zugesagt, dass wir beide sofort nach Andover kommen werden.»
    Das gab mir wieder etwas Auftrieb. Schließlich war es doch ein Verbrechen, wenn auch vielleicht ein belangloses und wenig aufregendes, und es war so lange her, seit ich mit Mord und Mördern zu tun gehabt hatte. Die nächsten Worte, die Poirot sprach, überhörte ich fast, doch sollten sie später eine lastende Bedeutung bekommen.
    «Das ist der Anfang», sagte Poirot.

4
     
    I n Andover erwartete uns Inspektor Glen, ein großer, blonder Mann mit einem angenehmen Lächeln.
    Ich gebe hier – um der Kürze willen – ein Resümee der bisher bekannten Tatsachen und Anhaltspunkte des Falles wieder.
    Das Verbrechen war am Zweiundzwanzigsten um ein Uhr nachts von Constable Dover entdeckt worden, als er während seiner Runde die Tür des Geschäfts kontrollierte und diese sich ohne weiteres öffnen ließ. Er war eingetreten und hatte im ersten Augenblick gedacht, dass niemand in dem kleinen Raum sei. Doch als er mit seiner Taschenlampe in die Winkel leuchtete, sah er den zusammengekrümmten Leichnam einer alten Frau hinter dem Ladentisch liegen. Die sofort an den Tatort gerufene Polizei und der Gerichtsarzt stellten fest, dass die alte Frau durch einen schweren Schlag auf den Hinterkopf getötet worden war, vermutlich getroffen, als sie ein Päckchen
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