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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners
Autoren: Robert Goddard
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erstickte.
    »Ja«, gab Spandrel misstrauisch zu.
    »Mein Name ist Jupe. Ich vertrete Sir Theodore Janssen.«
    »Ach? Na ja...« Spandrel legte das Rasiermesser beiseite und wischte sich den Seifenschaum vom Kinn. »Wie Sie sehen, habe ich keine Möglichkeit, etwas für Sir Theodore zu tun.«
    »Sie schulden ihm einen hohen Betrag.«
    Das ließ sich nicht leugnen. In vielerlei Hinsicht war Sir Theodore tatsächlich sein Hauptgläubiger. Spandrels Vater hatte in Wimbledon ein Grundstück vermessen, das Sir Theodore ein paar Jahre zuvor erworben hatte, und sich später um Unterstützung an ihn gewandt, als ihm die Idee mit der Karte von London gekommen war. Sir Theodore, der damals in Geld schwamm, hatte sich nur zu gern erkenntlich gezeigt. Als einer der Direktoren der South Sea Company musste er jetzt ein verzweifelter Mann sein. Das hatte Spandrel geborgten Zeitungen und auf der Straße aufgeschnappten Gesprächen entnommen. Trotzdem war so jemand doch bestimmt nicht derart verzweifelt, dass er sich ausgerechnet an den unglücklichsten seiner vielen Schuldner um Hilfe wenden würde.
    »Sir Theodore wäre an einer Begleichung der Schuld gelegen.« Jupe trat weiter ins Zimmer und ließ den Blick über die dürftige und armselige Einrichtung schweifen.
    »Mir nicht minder. Aber ich habe Besseres zu tun, als mich mit Gedanken an all das zu quälen, was ich gerne hätte.«
    »Sir Theodore ebenso.«
    »Warum sind Sie dann hier?«
    »Um Ihnen eine Möglichkeit aufzuzeigen, Ihre Schuld bei ihm - und all Ihre anderen Verbindlichkeiten - zu begleichen, indem Sie Sir Theodore eine kleine, aber bedeutsame Gefälligkeit erweisen.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Sehe ich aus wie einer, der Witze macht, Mr. Spandrel?« Das war ganz gewiss nicht der Fall. »Sie sollten vielmehr darüber nachdenken, ob Sie es sich leisten können, die Gelegenheit zu ignorieren, die ich Ihnen biete, sich - und Ihre Mutter - von dem Dasein zu erlösen, das Sie hier führen.« Jupe betrachtete neugierig einen aus dem Verputz herabhängenden Splitter. »Das heißt, wenn man das hier noch Leben nennen kann.«
    »Verzeihung, Sir.« Spandrel zwang sich zu einem Lächeln. Vielleicht, überlegte er, hatte sich Sir Theodore zu Großzügigkeit denen gegenüber entschlossen, zu deren Bankrott seine Misswirtschaft beigetragen hatte. Es hatte schon merkwürdigere Dinge gegeben, auch wenn ihm im Augenblick keines einfallen wollte. Aber wenn Jupe die Wahrheit sagte, bot sich vielleicht wirklich ein Ausweg aus seinen Schwierigkeiten. »Es gibt selbstverständlich keinen Dienst, den ich Sir Theodore nicht mit der größten Freude für den Erlass meiner Schulden erweisen würde.«
    »Selbstverständlich.« Jupe erwiderte sein Lächeln mit kaum verhohlener Überheblichkeit. »Sie sagen es.«
    »Was würde er von mir verlangen?«
    »Er wird es Ihnen persönlich erklären, Mr. Spandrel. Wenn Sie sich treffen.«
    »Er kommt hierher?«
    »Das mit Sicherheit nicht.« Jupe kräuselte sogleich die Stirn, um dem anderen zu zeigen, wie absurd eine solche Vorstellung war. »Sie suchen ihn auf.«
    »Aber das kann ich nicht.«
    »Sie müssen.«
    »Halten Sie mich für einen Narren, Mr. Jupe?« Spandrel glaubte, die Umrisse einer primitiven, doch wirksamen Falle zu erkennen. »Sobald ich dieses Haus verlasse, werde ich auf der Stelle verhaftet.« Aber genau das war womöglich der einzige Zweck dieses Vorschlags.
    »Nicht an einem Sonntag.«
    Ein zutreffendes Argument. Am Sabbat konnte kein Schuldner verhaftet werden. Einmal jede Woche durfte Spandrel die Freiheit schnuppern, wenn er an diesem Tag als freier, wenn auch mittelloser Mann durch die Straßen Londons spazierte. Gelegentlich ließ er die Stadtgrenzen hinter sich und lief bis ins Land hinaus, doch nie so weit, dass er bis zum Abend nicht mehr heimkehren konnte. Um seinen Hals war eine unsichtbare Leine gebunden, und die zerrte ihn stets zurück.
    »Sir Theodore wird Sie empfangen.«
    »Gern.«
    »Neun Uhr, Sonntagmorgen. In seinem Haus am Hanover Square.«
    »Ich werde kommen.«
    »Halten Sie sich daran, Mr. Spandrel. Und seien Sie pünktlich. Sir Theodore schätzt Zuverlässigkeit.«
    »Gibt es irgendetwas... das ich mitbringen soll?«
    »Bringen Sie sich selbst. Das ist alles, was Sir Theodore benötigt.«
    »Aber... warum? Was kann ich denn schon... ?«
    »Keine weiteren Fragen«, unterbrach ihn Jupe in scharfem Ton, sodass seine Stimme jäh den ganzen Raum füllte. Dann sank sie wieder zu ihrer normalen Stärke ab.
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