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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners
Autoren: Robert Goddard
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beiderseitigen Winkelzüge überdrüssig, sagte er dann: »Was wollen Sie von mir?«
    »Ich will, dass Sie das Buch in Ihre Obhut nehmen.«
    »Warum ich?«
    »Weil Sie das bedeutendste Mitglied des Direktoriums sind, und auch das verlässlichste. Und meines Erachtens sind Sie derjenige, der am wenigsten zu Panik neigt. Caswall und Master haben sich heute mitten auf der Straße vor dem South Sea House geprügelt. Es war kein sehr erbauliches Spektakel.«
    »Sie schmeicheln mir, Mr. Knight.«
    »Ganz und gar nicht. Ich weise Sie lediglich auf die einfachen Tatsachen hin. Sie sind wirklich so, wie ich Sie beschrieben habe.«
    »Angenommen, dem wäre so, warum wäre das Buch dann in meinen Händen sicherer als in Ihren?«
    »Weil man nicht erwarten würde, dass ich ein solches Dokument ausgerechnet in diese Hände legen würde. Und weil Sie in ihrem Herkunftsland langjährige Freunde haben, denen man es anvertrauen könnte. In diesem Fall hätte ich keine Ahnung von seinem Verbleib, und niemand könnte mir das Wissen darum abpressen. Und niemand würde auf die Idee kommen, solches bei Ihnen zu versuchen. Solange das Buch im Ausland verbleibt, sind den Maßnahmen, die gegen uns ergriffen werden könnten, Grenzen gesetzt. Es wäre eine Versicherung für uns beide. Und für unsere Kollegen.«
    »Denken Sie dabei wirklich auch an sie?«
    »Nein«, grinste Knight. »Ich erwähne sie nur für den Fall, dass Sie das tun.«
    »Wenn bekannt würde, dass Sie mir das Buch anvertraut haben, würde man annehmen, dass mir sein Inhalt bekannt ist.«
    »Was selbstverständlich nicht der Fall ist.« Knights Grinsen wurde breiter, um dann jäh zu ersterben. »Aber das würde nicht ans Tageslicht kommen. Warum auch? Ich habe Vertrauen in Ihre Auswahl des Empfängers wie des Boten. Ich habe volles Vertrauen zu Ihnen.«
    »Ich glaube, Vertrauen haben Sie so wenig zu mir wie ich zu Ihnen, Mr. Knight.«
    Knight starrte ihn mit einem Ausdruck aufrichtiger Verletztheit an. »Wie können Sie das sagen?«
    »Doch zwischen uns geht es ohnehin nicht mehr um Vertrauen. Wäre dem so, säßen wir noch alle fest im Sattel.«
    »Worum geht es dann?«
    »Verzweiflung.« Sir Theodore stieß einen tiefen Seufzer aus und schlurfte zum Tisch, wo er stehen blieb und den Blick auf das Buch mit dem grünen Umschlag richtete. »Nackte Verzweiflung.«
    »Womöglich. Darüber möchte ich nicht streiten. Aber die Frage ist ganz einfach: Sind Sie dazu bereit?«
    »Ich müsste wahnsinnig sein.«
    »Und noch wahnsinniger, wenn Sie es nicht nähmen. Zu vieles steht auf dem Spiel. Mehr als bloß unsere persönlichen Umstände. Weit mehr. Aber zufälligerweise« - Knights Stimme nahm den klebrig süßen Ton an, den er in den vergangenen Tagen benutzt hatte, um so vielen einzureden, das Unternehmen South Sea würde, ja, könne gar nicht scheitern - »decken sich unsere Interessen und die der Nation. Unsere Rettung ist die Rettung aller.«
    »Wie erfreulich.«
    »Sind Sie dazu bereit?«, wiederholte Knight.
    Sir Theodore sah ihm lange in die Augen. »Lassen Sie sich von mir nicht aufhalten, Mr. Knight.«
    »Kann ich zurücklassen, was ich mitgebracht habe?«
    »Sie haben nichts mitgebracht.« Sir Theodore zog eine Augenbraue hoch. »Ich gehe davon aus, dass ich mich klar ausgedrückt habe.«
    Knight nickte. »Vollkommen klar.«
    »Dann erübrigt sich jedes weitere Wort.« Sir Theodore nahm das Buch und trug es zu einem Sekretär in der Ecke. Dort legte er es in eine Schublade, sperrte sie ab und ließ den Schlüssel in seine Westentasche gleiten. »Nicht wahr?«
    Eine Stunde später - Knight war längst gegangen - erhob sich Sir Theodore von seinem Stuhl am Pult, in dem das Buch mit dem grünen Umschlag weggesperrt lag. Er trank sein Glas Portwein aus, dann sah er noch einmal auf den Brief hinunter, den zu schreiben er den größten Teil dieser Stunde benötigt hatte. Richtig, alles in allem erschien es ihm so, als hätte er gerade so viel und so wenig wie nötig preisgegeben. Und wenn er seinem ältesten und treuesten Freund eindringlich ans Herz gelegt hatte, äußerste Vorsicht walten zu lassen, so war dies zweifellos unerlässlich. Er versiegelte den Brief, durchquerte den Raum zum Glockenzug und betätigte ihn.
    Mehrere Minuten verstrichen, in deren Verlauf Sir Theodore das ersterbende Feuer betrachtete. Zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand drehte er langsam den protzig am kleinen Finger der linken Hand steckenden Gold-und Diamantenring hin und her. Er war
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