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Die Melodie des Todes (German Edition)

Die Melodie des Todes (German Edition)

Titel: Die Melodie des Todes (German Edition)
Autoren: Jørgen Brekke
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hatten?
    »Wo ist dieser verfluchte Bluffeur?«, schrie der Mann in der Tür.
    Alle traten einen Schritt zur Seite, als verstünden sie instinktiv, dass Wingmark gemeint war. Er hatte den größten Einsatz gewonnen, der jemals im Gyldene Freden zu gewinnen gewesen war, und das tat niemand ungestraft.
    Mit zehn energischen Schritten war der Knecht am Tisch.
    »Hier sitzt also der werte Herr, der sich als Dichter bezeichnet, in Wahrheit aber nichts anderes ist als ein übler Scharlatan, der alles Gute und Ehrenhafte in den Dreck zieht.« Der vornehm gekleidete Mann sah ihn voller Verachtung an. »Aber warum verschwende ich meine Worte auf ihn?«
    Erst jetzt bemerkte Wingmark, dass der Mann einen Degen in der einen Hand hielt und unter seinem Gürtel einen weiteren hervorzog. Die zweite Waffe warf er auf den Tisch, und Silber- und Kupfermünzen rollten in alle Richtungen.
    Wingmark starrte wie verhext auf die Waffe und das Geld, mit dem er sich aus Schulden und Unglück freikaufen wollte. Doch was konnte ihn nun aus dieser Klemme retten?
    »Nehmt den Degen oder lasst es sein, ich werde Euch elenden Wurm so oder so töten.«
    Wingmark nahm den Degen vom Tisch auf.
    »Vielleicht habt Ihr recht«, sagte er. »Mag sein, dass das Lied möglicherweise nicht zu meinen besten Werken zählte. Aber ich denke doch, dass ein Ehrenmann wie Ihr diesen Zwist draußen ausfechten möchte?« Er zeigte zur Tür.
    »Wie Ihr wollt. Mir ist es gleich, wo Ihr die Reise in die Hölle antretet.« Er gab Wingmark das Zeichen, vor ihm das Lokal zu verlassen.
    Der Spielmann suchte einen Moment nach einer Möglichkeit, unbemerkt wenigstens einen Teil des Geldes in seine Taschen zu stecken, sah dann aber ein, dass das Geld verloren war. Jetzt ging es darum, seine Haut zu retten.
    Er ging langsam mit dem fremden Degen in der Hand aus dem Lokal, gefolgt von Herrn Eriks Knecht und den übrigen Gästen des Gyldene Freden . Draußen auf der Österlånggatan verbeugte er sich vor seinem Gegner, nahm die Ausgangsstellung ein und sah sich um. Dann warf er den Degen zu Boden und drehte sich um. Seinem Widersacher den Rücken zuwendend, ließ er die Hose runter, ging in die Knie und streckte ihm sein Gesäß entgegen.
    »Da habt Ihr meine aufrichtige Meinung über die Tochter von Herrn Erik, richtet ihm meine besten Wünsche aus«, sagte er und drehte sich wieder zu seinem Herausforderer um.
    Der Großknecht stand einen Augenblick wie gelähmt mit offenem Mund da. Dann hob er den Degen.
    Wingmark zeigte ihm eine lange Nase und hörte das immer lauter werdende Gelächter der Umstehenden. Er konzentrierte sich auf eine Lücke zwischen den Schaulustigen, die ihm zuvor bereits aufgefallen war, und stürmte los, drängte sich zwischen zwei angetrunkenen Männern hindurch und ließ die Menschenmenge hinter sich.
    Nach wenigen Schritten stolperte er über einen losen Pflasterstein und fiel auf die Knie, doch es gelang ihm, sich wieder aufzurappeln, bevor jemand ihn aufhalten konnte. Dann nahm er erst richtig Tempo auf und hängte auch den letzten Verfolger ab. Als letzte Tat in Stockholm warf er in der Prästgatan einen Tisch mit Äpfeln um, ehe er in die jämmerliche Kammer stürmte, die er gemietet hatte, und sich seine Laute und seine mageren Geldreserven holte.
    Danach kehrte er Stockholm für immer den Rücken. Er war sich seiner Tat bewusst. Niemand verunglimpfte Herrn Erik, seine Tochter oder seinen Großknecht ungestraft. Sollte er jemals wieder einen Fuß in diese Stadt setzen, wäre es um ihn geschehen.
    Er fand einen wenig frequentierten Reitpfad, dem er in nord westlicher Richtung aus der Stadt folgte. Nur wenige Male drehte er sich um und ließ noch einmal seinen Blick über die Stadt auf den Inseln schweifen. Es war eine schöne Stadt, voller Träume und Gesang. Die Gassen waren wie geschaffen dafür, die langen nordischen Nächte zu durchtanzen. Doch im Winter waren sie kalt und verschneit. Er hatte in dieser Stadt seine besten, aber auch seine ärmlichsten Jahre verbracht und zugesehen, wie seine Jugend langsam entschwand. Trotz magerer Jahre, Frauengeschichten und Trunkenheit erinnerte er sich daran, dass sein wahrer Name nicht Christian Wingmark lautete und dass er das Lautespielen in einer anderen Stadt erlernt hatte, in einem anderen Land, und dass er auch dort einmal glücklich gewesen war.
    Als er die Stadt hinter sich nicht mehr sehen konnte und ringsum von Wald umgeben war, bekam er Gesellschaft von unzähligen Fliegen. Sie waren in diesem
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