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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst
Autoren: Guido Dieckmann
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seinem Nachbarn hatten sie ein Kartenspiel und drei Würfel entdeckt. Der Bauer war zwar schlau genug gewesen, die bunten Spielkarten in seiner Stube unter ein Tischbein zu klemmen, doch genutzt hatte ihm das nichts. Die Kirchendiener schienen ein untrügliches Gespür für jede Art von Versteck zu haben. Wie der Hafner musste auch der Bauer vor der versammelten Gemeinde Besserung geloben und einen empfindlichen Tadel einstecken.
    Nach einer Weile wandten sich die Männer im Schankraum anderen Themen zu. Im Dorf, so erzählte ein Bauer, waren kurfürstliche Soldaten aufgetaucht. Die Männer seien bewaffnet und trieben sich in der Nähe der Zollschreiberei herum.
    Darüber ärgerten sich die Dorfleute. Soldaten waren im Ort nicht besonders beliebt, gleichgültig welches Wappen ihren Harnisch zierte. Zu oft schon waren die Bauern während der letzten Jahre gezwungen gewesen, Hals über Kopf in die Wälder und Sümpfe zu fliehen, wenn bewaffnetes Kriegsvolk durch das Dorf gezogen war und eine Schneise der Verwüstung hinter sich gelassen hatte. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation galt zwar seit fast einem Menschenalter Religionsfrieden, doch jedermann wusste, dass der Streit der Mächtigen um den wahren Glauben sich nur eine Atempause gönnte, um danach wieder umso heftiger zu toben.
    Eine Schankmagd scheuerte mit griesgrämigem Gesicht den Boden, bis dieser im Licht der einsamen Kerze, die neben dem Zinngeschirr stand, vor Sauberkeit glänzte. Die Wirtin hatte ihre Dienstboten angewiesen, heute nur eine Seite der Schankstube zu beleuchten, denn Kerzen und Lampenöl waren teuer, insbesondere im Winter. Den wenigen Zechern musste das Feuer im Kamin genügen.
    Henrika Gutmeister bedachte den kleinen Schankraum mit einem liebevollen Blick. Die mit rötlichem Holz getäfelte Stube mit ihrer niedrigen Decke, der verrußte Kamin und die blauen Tonkrüge waren ihr seit der Kindheit ebenso vertraut wie der Geruch von geräuchertem Schinken, Bier, Schweiß und Kerzenwachs. In dichten Bündeln hingen getrocknete Kräuter von den Balken herab.
    Sie hatte sich hier stets zu Hause gefühlt. Die Schänke war ihr Zufluchtsort gewesen, wenn sie von ihrer Ziehmutter gescholten worden war und die Spottverse der Gassenkinder sie verletzt hatten. Mit prüfendem Blick überzeugte sich Henrika, dass die Eichentische in der Stube blank gescheuert und Reste von verschüttetem Bier weggewischt worden waren. Dann wusch sie ihre Hände und rollte die Ärmel ihrer weiten Bluse sorgfältig hinunter. Vorsichtig spähte sie hinüber zu dem letzten Tisch, an dem noch getrunken wurde, aber die Männer nahmen keine Notiz von ihr. Das war auch besser so, denn sie half im Wirtshaus nur aus, um ihrer Tante einen Gefallen zu tun, nicht um den Männern des Dorfes oder deren Frauen Anlass zu geben, sich das Maul über sie zu zerreißen. Sie tat es, ohne etwas dafür zu verlangen, denn nachdem im vergangenen Winter ein Feuer in der Gaststube gewütet hatte, musste Tante Elisabeth den Gürtel enger schnallen. Die Reparaturen hatten ihre Ersparnisse verschlungen und sie darüber hinaus gezwungen, Schulden zu machen. Hinzu kamen die vom Gesetz auferlegten Einschränkungen, welche die strenge Kirchenzucht im Fürstentum verlangten. Sie waren der Grund, warum immer weniger Bauern und Reisende Lust verspürten, ein Wirtshaus aufzusuchen. Regelmäßig musste sich Elisabeth der Büttel erwehren, die sie und das Gesinde streng befragten, ihre Weinvorräte kontrollierten und ihr ins Gewissen redeten, wenn sie in einer Woche zu viel unverdünntes Bier ausgeschenkt hatte. Dazu kamen die wachsenden Abgaben und die Rechnungen der Weinhändler, der Fleischer und Bäcker. Henrika wusste, dass ihre Tante darunter litt, auch wenn sie kein Wort darüber verlor und den wenigen Gästen, die nach wie vor einkehrten, mit gleichbleibender Freundlichkeit begegnete.
    «Wenn es für mich nichts mehr zu tun gibt, würde ich gerne nach Hause gehen, Tante», rief sie Elisabeth zu, die mit vor Hitze geröteten Wangen aus der Küche kam.
    Elisabeth nickte ihr wohlwollend zu. «Tut mir leid, dass ich dich umsonst geholt habe, mein Kind, aber ich dachte wirklich, es wäre heute mehr los. Und seit meine Beine nicht mehr so recht wollen …»
    Henrika winkte verständnisvoll ab. Sie mochte Elisabeth gut leiden und hätte ihr auch dann geholfen, wenn kein einziger Gast zu bedienen gewesen wäre. Elisabeth hatte immer zu ihr gehalten, anders als die meisten Leute im Dorf. Sie hatte
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