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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst
Autoren: Guido Dieckmann
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sich auf.
    «Werdet Ihr meine Tochter … von hier fortbringen?»
    Hahn nickte. «Wir sind einfache Handwerker, aber bei uns im Dorf wird sie es gut haben», versprach er. Er meinte es durchaus ernst und hoffte, dass er die Frau in ihrer letzten Stunde auf Erden von dieser Sorge befreien konnte. Gleichgültig wer sie war und warum sie das Brandeisen verpasst bekommen hatte: Hahn spürte, dass er keinen schlechten Menschen vor sich hatte. Wahrscheinlich war das Leben nicht gut mit ihr umgesprungen, daher verdiente sie es, diese Welt zu verlassen, ohne sich um das Schicksal ihrer Tochter sorgen zu müssen. Gewiss würde es für das Mädchen nicht einfach werden, sich an das karge Leben im Dorf zu gewöhnen. Sie würde keine silbernen Spangen tragen, sondern das grobe Kleid einer Magd, und singen würde sie höchstens Psalmen oder fromme Lieder im täglichen Gottesdienst. Aber sie war jung, und schließlich war es besser, als über die Landstraßen zu ziehen und das Leben einer Ausgestoßenen zu führen.
    «Ihr müsst es nicht aus Barmherzigkeit tun. Das würden wir nicht wollen. Nennt es Stolz und verurteilt mich für meine Anmaßung, aber für Henrikas Unterhalt werde ich aufkommen. Versteht Ihr?»
    «Wer bist du, und wer ist das Mädchen?», fragte er unsicher.
    «Du musst es mir jetzt sagen …»
    «Einmal im Jahr werdet Ihr Geld erhalten, und zwar so lange, bis … nun, Ihr werdet sehen», wehrte die Sterbende hustend ab. «Es ist gutes Geld. Kein Hurenlohn, sondern Geld, das ihr zusteht. Henrika ist nicht schuld daran, dass sie nicht das Leben führen darf, das ich einmal für sie vorgesehen hatte …»
    Hahn horchte auf. Die Gebrandmarkte wollte ihm ihren Namen nicht verraten, aber darauf kam es nicht an. Er würde es herausfinden, sobald er wieder in die Stadt kam. «Und wer wird uns das Geld zukommen lassen?», erkundigte er sich und hoffte, dass seine Frage beiläufig genug klang, um nicht den Verdacht der Habgier zu wecken. «Ich sehe hier nichts, was irgendeinen Wert besäße.»
    «Einmal im Jahr, sobald der erste Markt nach dem Winter abgehalten wird, wird ein Mann neben der Heiliggeistkirche auf Euch warten und Euch einen Beutel mit Geld überreichen. Ihr müsst nichts weiter tun, als ihm erklären, dass Ihr in meinem Auftrag kommt, dann wird er keine weiteren Fragen stellen. Weder nach mir noch nach dem Kind. Allerdings … wird er auch auf keine Eurer Fragen antworten, also versucht erst gar nicht, in ihn zu dringen.» Sie atmete nun stoßweise, und ihre eingefallenen Wangen zitterten. Ein letztes Mal suchten ihre dunklen Augen seinen Blick. Hahn sah Erleichterung in ihnen. Und Frieden. Die Frau schien vor dem Tod keine Angst zu haben, und das nötigte ihm Achtung ab, hatte er doch viele fromme Menschen jammernd und klagend sterben sehen.
    «Ihr dürft dem Boten niemals folgen», bat sie. «Schwört mir, dass Ihr und Eure Frau sich daran halten werden!»
    Für Agatha zu schwören, war in etwa so unmöglich, wie ein festes Haus aus Mehl zu bauen. Aber der Hutmacher versprach, die Worte der Sterbenden zu beherzigen. Als er ihre Hand in der seinen erschlaffen spürte, musste er sich jedoch eingestehen, dass er Angst vor dem hatte, auf das er sich einließ.
    War es Gottes Wille, dass er den letzten Wunsch der Sterbenden erfüllte, oder ein unverzeihlicher Fehler?
    Als Hahn schließlich die Kammer verließ, überkam ihn die finstere Gewissheit, dass sein Leben nie wieder so sein würde wie vor dieser Nacht.

Mannheim, fünfzehn Jahre später

1. Kapitel
    Im Wirtshaus «Zum Grünen Baum» gab es an Donnerstagabenden nur wenig zu tun. Nur ein paar Bauern und Handwerker saßen mit ihren Knechten im Schankraum. Sie wärmten sich am Kaminfeuer, tranken Bier und unterhielten sich leise über den zu frühen Wintereinbruch, der Eis und Schnee gebracht hatte, die neuen Zölle und die anstehenden Hausbesuche des Dorfpfarrers und seiner Gehilfen. Fast jeder der Anwesenden hatte diese Prozedur schon einmal erlebt und wusste etwas darüber zu berichten. Die Kirchendiener durchstöberten bei ihren Kontrollbesuchen rücksichtslos die Häuser und prüften anhand langer Listen, ob etwas aufbewahrt wurde, was dem Gesetz der Kirche nach verboten war.
    Gegen einen Hafner war jüngst eine empfindliche Buße erhoben worden, weil die Ältesten der Gemeinde bei ihm eine Anzahl zu freizügiger Weiberröcke gefunden hatten. Dabei war der Eigenbrötler nie verheiratet gewesen. Was er damit trieb, konnte sich jeder denken. Bei
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